Wir sind die Konfrontation gewohnt

Kuba/USA Präsident Trump hat in einer aggressiven Rede Teile der Kubapolitik seines Vorgängers rückgängig gemacht. Er trifft die falschen

Von Rogelio Serrano Pérez

„Und was sagt der Verrückte?“, fragt der krumme Typ neben mir, und ohne dass ich seinen abschätzigen Tonfall weiter beachtete, fange ich an zu erklären, dass das im Fernseher Donald Trump ist, der seine Kubapolitik erläutert. „Hör nicht auf den, Junge, ehrlich – es ist doch völlig egal, was der sagt: Das Brot bleibt schlecht, oder?“, sagt der und bricht in Gelächter aus, die Bierflasche in der Hand, während er von der Rezeption des Motels davongeht. Sein Lachen bringt die Rezeptionistin dazu, auf den Kanal Clave umzuschalten, den Musikkanal.

So habe ich Trump nur in Teilen gehört, denn in dem Motel ist das der einzige Fernseher. Aber man muss auch nicht alles gesehen haben. Alle Medien, ob national, ausländisch, staatlich oder privat, explodieren vor Kritik. Und es war ja auch schlimm, nach dem eloquenten und charismatischen Obama jetzt seinen Nachfolger zu hören, der seine Zunge zu einem Knüppel formt, wenn er über Kuba spricht.

Den meisten Kubanern raubt die US-Kubapolitik nicht den Schlaf. Wir sind die Konfrontation einfach gewohnt. Der 16. Juni hat uns in genau jene stürmische Realität zurückgebracht, die wir schon seit 1959 ausgehalten haben.

Wer ist denn wirklich betroffen von den neuen Einschränkungen, die da in Miami verkündet worden sind? Alle, die Häuser vermieten, die Restaurants betreiben, die vom Tourismus leben. Für den Rest der Bevölkerung bleibt alles beim Alten.

Trotzdem ist das nicht unwichtig. Betroffen sind die, die auf eigene Rechnung arbeiten, genau die, denen Oba­ma in einem eindeutigen Versuch helfen wollte, das Privatkapital auf Kuba zu stärken. Auch für sie geht damit die Welt nicht unter; ihre Geschäfte blühten vor Trumps Ankündigungen. Sicher, der Schlag kann bedeuten, dass Tausende von Dollars nicht mehr auf die Insel kommen, wenn der Anstieg nordamerikanischer Touristen plötzlich aufhört. Wer sein Geschäft erweitert oder renoviert hat, bleibt womöglich auf seiner Investition sitzen.

Wem tut das weh? Dem, der Erdnüsse auf der Plaza verkauft, dem, der im Restaurant arbeitet, dem Bauern, der dem Restaurant mehr Früchte und Fleisch verkaufen konnte, dem Taxifahrer, der für konvertible Pesos fährt … all jenen, die etwas davon hatten, dass mehr US-Amerikaner Kuba besuchten. Trump bestraft kein einziges Regierungsmitglied, im Gegenteil: Er schubst sie in ihre Komfortzone zurück: „Der Imperialismus erlegt uns eine eiserne Blockade auf …“ Bla, bla, bla. Und dahinter kann man dann jede Menge Mängel und eigene Fehler verstecken.

Und wer hat etwas davon? Eine Handvoll Kubanoamerikaner und Kubaner, die davon leben, den Konflikt zwischen beiden Ländern immer am Laufen zu erhalten.

Die Fotos dieser Beilage stammen aus der Serie „Millennials“ des jungen kubanischen Fotografen Ismario Rodríguez Perez. Der 25-Jährige, auch er ein Teilnehmer des diesjährigen Kuba-Workshops, arbeitet als Fotograf und Art Director für „OnCuba“ in Havanna. Seine Fotos zeigen einen genauen Blick fürs Detail, für das Besondere im kubanischen Alltag, für die Menschen in ihrem Umfeld.

Obama war viel gefährlicher. Oder ist es vielleicht nicht riskanter, eine Schlange zu umarmen, statt sich ihr gegenüberzustellen? Sein „Qué bolá?“ konnte viel stärker in den Sozialismus eindringen als das grimmige Gesicht seines Nachfolgers. „Ach, wenn der unser Präsident wäre!“, sagte damals eine Schülerin, als sie Obama im kubanischen Fernsehen sprechen sah.

Vor dem Strategiewechsel war unsere größte Sorge, dass die US-Politik gegenüber Kuba sich veränderte, während die Unsrigen in alten Schemata verhaftet blieben. Obwohl man ehrlicherweise sagen muss, dass auch unter Obama die Bußgelder für Unternehmen weitergingen, die mit der Insel Geschäfte machen wollten, und die Blockade bestehen blieb.

Obama beendete seine Amtszeit mit der Aufhebung der Politik des „pies secos, pies mojados“, die zuvor jedem Kubaner einen Aufenthaltsstatus in den USA gesichert hatte, der trockenen Fußes US-Boden betrat. Damit sank die Gefahr von im Meer ertrinkenden Kubanern oder solchen, die sich zur mexikanischen Grenze aufmachen. Da applaudierten die Politiker genauso wie viele Familien, die durch Auswanderung zerrissen worden waren. Aber die Leute auf der Straße verfluchten Obama, denn in ihrer Logik fiel damit dieser Ausweg weg, den es für viele Kubaner bedeutet hatte, sich in die Arme von Uncle Sam zu begeben.

Trumps Rede in Miami am 16. Juni 2017 bedeutet das Wiedererscheinen des Big Stick in der Öffentlichkeit. Aber Trump überrascht nicht. Es gibt keinen Kubaner, der nicht an hinterhältige Absichten und einen Diskurs der Stärke aus den USA gewöhnt wäre. Eine Flasche Bier oder ein Video-Clip sind ihnen näher als die bombastische Rede eines US-Präsidenten.

Rogelio Serrano Pérez, 31, arbeitet als Reporter bei der ­Zeitung „Adelante“ in Camagüey