LeserInnenbriefe
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Opfer zweiter Klasse?

betr.: Terroranschlag in Barcelona

Wieder einmal löst ein Terroranschlag in der westlichen Welt einen Schock bei uns aus. Die Medien berichten bis ins kleinste Detail, in den sozialen Medien gibt es unzählige Solidaritätsbekundungen. Richtig so.

Doch auch in Pakistan, Nigeria, Irak, Kenia und so weiter gibt es Opfer islamistischen Terrors zu beklagen. Sehen wir ihre Flaggen auf das Brandenburger Tor projiziert? Nehmen Social-Media-Nutzer ihre Flaggen als Avatare? Gibt es einen Liveticker in der „Tagesschau“-App? Erfahren wir mehr als die vorläufige Zahl der Toten und Verletzten? Nein.

Warum interessiert uns das nicht? Sterben dort Menschen zweiter Klasse? Sind sie nicht auch Mütter, Söhne, Schwestern? Mögen sie nicht auch Musik, die neuesten Kinofilme und Coca-Cola? Warum nehmen wir ihr Sterben emotionslos hin und haben es eine halbe Stunde später wieder vergessen?

Wenn wir aus dem Westen nicht aufhören, die Menschen in Erste, Zweite, Dritte Welt einzuteilen und unsere Leben für wesentlich wertvoller als die der anderen zu erachten, dann wird der Hass niemals versiegen. Jedes Opfer ist eines zu viel, völlig egal ob Pakistani oder Spanier, Nigerianer oder Deutscher. Wann kapieren wir das endlich? PHILIPP GREGORIUS, Kiel

Vor allem Männer in Sprachkursen

betr.: „Aus Kindern werden ‚Männer‘“, taz vom 23. 8. 17

Das weitverbreitete Entschuldungs-, Verteidigungs- und Inschutznehmsyndrom von Männern durch Frauen treibt schon merkwürdige Blüten.

Als Integrationslehrerin, die täglich mit Asylsuchenden zu tun hat, nehme ich seit einigen Jahren nicht nur eine Mehrheit von Männern in unseren VHS-Sprachkursen wahr, sondern eine deutliche, nämlich durchschnittlich 70- bis 80-prozentige Mehrheit meist junger Männer. Das heißt, auf 18 Männer kommen 2 bis 3 Frauen. Das ist eine Tatsache.

Wenn die Autorin nun Berechnungen aufstellt, die beweisen sollen, dass sogar mehr Frauen und Kinder zu uns kommen, dann müssten wir doch im Unterricht ein annähernd ausgeglichenes Geschlechterverhältnis haben. Andererseits nennt sie Gründe, warum mehr Männer die Reise antreten „müssen“, denen ich auch widerspreche: Die Verantwortung für Kinder und auch andere Verwandte tragen in erster Linie die Frauen. Sie „dürfen“ im Krieg, im Bombenhagel und in den Flüchtlingslagern bleiben.

Die Reise kostet viel Geld: Junge Männer sind das wert. Viele unserer Schüler haben noch gar keine Kinder, sie sind erst Anfang 20. Wo sind die 20-jährigen Töchter? Ich halte den Text tendenziell für tendenziös. MARIA SCHMIDT, Berlin/Banzin

Bio-Landwirtschaft fördern!

betr.: „Öko-Landwirtschaft ausbaufähig“, taz vom 18. 8. 17

Bund, Länder, vor allem aber die Kommunen verfügen über viele eigene Flächen, dasselbe gilt für die beiden großen Kirchen. Dass auf diesen Flächen Öko-Landwirtschaft betrieben wird, liegt in hohem Allgemeininteresse. Vor allem damit die großen Städte und Kommunen auch künftig sauberes Trinkwasser zur Verfügung stellen können.

In diesem Frühjahr hatten wir in Hessen fast eine Dürre, wie die Wasserversorger warnten. Hätte es weiter so wenig geregnet, hätten sie Maßnahmen zur Rationierung des Trinkwassers ergreifen müssen, weil die Grundwasserspiegel so weit abgesunken waren. Hauptursache für Trinkwasserprobleme sind erhöhte Nitratwerte, die auf das Konto der konventionellen Landwirtschaft gehen!

Deshalb bedarf es zusätzlich zu den EU-Instrumenten zusätzlicher, insbesondere kommunaler Förderung der Bio-Landwirtschaft auf den Flächen der öffentlichen Hand, vor allem wenn diese auf oder nahe Trinkwasserschutzgebieten liegen. Dies praktizierte Münchens damaliger Oberbürgermeister Christian Ude schon vor zehn Jahren erfolgreich.

Kommunalpolitiker und Kirchen sollten von den Bürgern an dem gemessen werden, was sie für die Lebens- und Gesundheitsgrundlagen Luft und Wasser der Menschen tun! Und das so schnell wie möglich! ANNETTE WEBER, Heusenstamm

Das Stadion, ein sozialer Ort

betr.: „Trikottausch, jetzt!“, taz vom 17. 8. 17

Da ist aber der Visionär mit dem Andreas Rüttenauer durchgegangen. Auch wenn ich als Fan von Rot-Weiss Essen natürlich recht oft mit den Begriffen Ehre und Treue (Letzteres vorwiegend) zu tun habe: Die Möglichkeit, so mir nichts dir nichts den Verein zu wechseln, ist wohl eher vor dem Fernseher möglich als im Stadion. Und das hat weit weniger mit rückständiger Verbohrtheit zu tun, als uns Andreas glauben machen möchte.

Das Stadion ist ein sozialer Ort mit starken Verbindungen, sowohl unter Fans als auch zum Verein, der einen zusammengebracht hat. In einer neuen Kurve anzukommen dauert und ist keine Kopfentscheidung, wie der Artikel zum Teil in haarsträubender Weise versucht zu deuteln. Und: Das passiert öfter, als man denkt, obwohl es nicht einfach ist.

Ein einfacher Ortswechsel bringt den Fußballbegeisterten oft dazu, es zumindest mit einem neuen Verein zu versuchen. Trotzdem trägt man seine „alten“ Beziehungen im Herzen. Fußball und das Erleben rund ums Stadion bleiben Gott sei Dank emotional und überwiegend resistent gegen die Abkühlungsversuche von außen. Und wer mal wieder in den „Schlamm“ des alten Fußballs steigen möchte: Herzlich willkommen beim Rot-Weiss Essen! JOST PETER, Essen