Wortwechsel
:

die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Straße 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Die Fortsetzung des Übels

Mobilität Das E-Auto wird kommen: mit neuen Problemen und womöglich schneller, als wir denken. Eine Heil bringende Lösung ist es sicherlich nicht

Ein Elektroauto von Tesla – Newcomer unter den Autobauern Foto: reuters

Zwei Märchen

betr.: „Das E-Auto kommt nicht von allein“, taz vom 22. 8. 17

Elektromobilität wird von den internationalen und besonders den deutschen Automobilkonzernen nicht gewollt und seit deren Entwicklung seit Jahren an allen möglichen Punkten behindert. Dafür wurden unter anderem zwei Märchen in die Welt gesetzt, die inzwischen von allen geglaubt werden und so auch in dem Artikel von Richard Rother wieder erzählt werden.

Märchen 1: Elektroautos haben eine zu geringe Reichweite. Das stimmt natürlich nicht. Die Reichweite von Elektroautos richtet sich nach der Größe der eingebauten Batterie. Die Autokonzerne, die gerne weiter ihre Verbrennungsmotoren verkaufen wollen, bringen Elektroautos auf den Markt, die eine kleine Batterie haben und damit eine geringe Reichweite. Das ist aber keine technische Notwendigkeit, sondern eine Strategieentscheidung der Konzerne. Wenn man Elektroautos mit großen Batterien bauen will, geht das. Tesla hat es vorgemacht, und das als Newcomer unter den Autobauern.

Märchen 2: E-Autos sind wegen der teuren Batterien viel teurer als Verbrenner. Da kostet ein gleich großes E-Auto schnell mal 30.000 Euro, wo für den Verbrenner 20.000 aufgerufen werden. Dabei sind die reinen Stückkosten im Vergleich zum Verkaufspreis erstaunlich gering. Dass also eine Batterie ein Auto um 50 Prozent verteuert, liegt nicht an den Stückkosten, zumal ja der Verbrennungsmotor, das Getriebe und vieles andere wegfällt, was den größten Teil der Stückkosten eines Autos ausmacht. Wieso also der hohe Preis?

Der Preis für Elektroautos ist ein politischer Preis, den die Autohersteller machen, damit diese Autos nicht gekauft werden. Initiativen wie der e.GO der RWTH Aachen zeigen, dass es anders geht – und das ohne die ganze Konzernmacht im Rücken.

Warum diese Märchen? Weil die Autoindustrie mit Verbrennungsmotoren ihr Geld verdient. In dem Know-how über Verbrennungsmotoren steckt ein immenses Kapital. Dieses Wissen hat nicht jeder, und deswegen kann nicht jeder funk­tio­nierende Verbrennungsmotoren und zugehörige Technik bauen.

Wie man Elektromotoren baut, ist gut etabliertes kostenloses Wissen, darum konnte Tesla ja ohne langjährige Erfahrung seine Modelle bauen.

All dieses Know-how und damit der Wissensvorsprung der etablierten Autobauer verliert mit den Elek­tro­autos komplett seinen Wert. So haben sich die deutschen Autobauer (und nicht nur die) in den letzten zehn, zwanzig Jahren erfolgreich gegen einen Umbau zur Elektromobilität gewehrt, um ihr Wissenskapital zu erhalten.

Wenn mehr Konkurrenten wie die RWTH Aachen auf den Markt kommen, werden Elektroautos schneller kommen, als wir alle denken.PETER STENDER, Hamburg

Hybridfahrzeug

betr.: „Das E-Auto kommt nicht von allein“, taz vom 22. 8. 17

Der Überschrift ist nicht zu widersprechen, aber ist das E-Auto wirklich die Lösung unserer Mobilitätsansprüche?

Immerhin werden in den letzten Zeilen noch die Rohstoffe erwähnt, die bei massenhaftem Bedarf neue Probleme mit sich bringen.

Mag sein, dass das Hochjubeln eines exotischen Herstellers wie Tesla weiterhelfen kann. Diese Fahrzeuge sind eine Kombination der besten verfügbaren Technologien zu einem entsprechenden Preis, für eine fast noch zählbare Anzahl von Autos. Wenig wurde bisher über die Fahreigenschaften und die Praxis­tauglichkeit von Teslas gesagt, und es sei darauf hingewiesen, dass die Einhaltung eines Qualitätsniveaus bei Massenfabrikation Anforderungen stellt, deren Beherrschung Tesla bislang noch nicht beweisen musste und nicht bewiesen hat.

Und – das sei nicht vergessen – der Dieselmotor mag „von gestern“ sein, aber er hat nach wie vor seine Existenzberechtigung. Es ist immerhin die effizienteste verfügbare Wärmekraftmaschine mit der Fähigkeit, einen erheblichen Energievorrat mitzuführen.

Aus meiner Sicht ist der naheliegende und kurzfristig machbare Ausweg aus der „Mobilitätskrise“ ein Hybridfahrzeug: Das ist beherrschbare Technologie und vorhandene Infrastruktur.

Erforderlich: moderate Motorisierung für fossile Energie und ein Kurzzeitstromspeicher für Spitzen des Leistungsbedarf und zur Rückgewinnung von Energie bei Verzögerungsvorgängen, kombiniert mit einer wirksamen Begrenzung der fahrbaren Geschwindigkeit. Beispielhaft auch die Deutsche Post, die für ihren (Nischen-)Bedarf ein maßgeschneidertes E-Fahrzeug nicht nur anschafft, sondern sogar die Produktion übernimmt.ERWIN BOSAK, Schorndorf

Verschrumpelt

betr.: „Das E-Auto kommt nicht von allein“, taz vom 22. 8. 17

Richtig, das E-Auto kommt nicht von allein, sondern wie im letzten Abschnitt des Artikels durch deutlich zu wenig Worte gewürdigt: mit viel umwelt- und menschenfeindlicher Kraft.

Wir erlauben uns, unseren Globus weiterhin mit einer Selbstverständlichkeit und Verachtung gegen Natur und Leben von unten nach oben zu drehen. Und das alles, weil ein scheinbar intelligentes Individuum der Überzeugung ist, zu jeder Zeit, schnellstmöglich und auf billigste Art an jeden Ort der Welt kommen zu müssen.Die Freiheit nehmen wir uns – im Austausch gegen die Unfreiheit anderer, die dafür gerne durch Kriege und Gift verrecken dürfen.

Wenn wir den „öffentlichen Nah- und Fernverkehr“ zu einem „individuellen öffentlichen Verkehr“ um- und ausbauen würden, dann wäre von Intelligenz etwas zu spüren. Derzeit tippeln wir aber mit einem fast leeren, verschrumpelten Luftballon auf dem Hals durch die Welt. RAINER MOMANN, Puchheim

Liebstes Kind

betr.: „Das E-Auto kommt nicht von allein“, taz vom 22. 8. 17

Danke für die vielschichtige ­Zusammenfassung der jüngsten ­Geschichte von „des Deutschen liebstem Kind“.Ich darf ergänzen: Die Jobs in der Autoindustrie wurden zwar erwähnt, nicht aber die drohende Gefahr, dass selbst bei gleichbleibendem Ausstoß Arbeitsplätze verschwinden könnten. Denn E-Autos haben weniger Bauteile als Verbrenner.

Und ein weiterer – genereller – Hinweis muss einfach sein: der Eins-zu-eins-Tausch der Antriebstechnik verdrängt ja eines der Haupt­pro­ble­me unserer Mobilitäts-„Kultur“, das ist der Platzbedarf für das Auto, ob fahrend oder stehend, der unsere Städte zu Autostädten gemacht hat. „Weniger Autos sind besser als mehr Autos“ ist ein gern wiederholtes Zitat eines Ministerpräsidenten … wer war das doch gleich?DIETER STOMPE, Erfurt

Die Kraft der Beine

betr.: „Das E-Auto kommt nicht von allein“, taz vom 22. 8. 17

Das E-Auto kommt nicht von allein, aber bestimmt mit der verlässlichen Unterstützung der taz!

Was allerdings noch zu bedenken wäre: Das E-Auto ist nicht die Heil bringende Lösung für die Welt, sondern die Fortsetzung des bisherigen Übels – nur anders.

Den niedrigsten und effizientesten Energieverbrauch haben für alle Zeiten Bein- und Muskelkraft! Dem Fußgänger und dem Fahrrad genauso viele Textseiten gewidmet wie dem Auto, und ich bin fast vollends zufrieden mit der taz!MARCUS KEMME, Bottrop