Glanzzeit, Verfall und wieder neue Hoffnung

Zeitläufte Das 1920 erbaute Hotel Rueda in Ciego de Ávila spiegelt die Geschichte des ganzen Landes

Aus Ciego de ÁvilaLisandra López Pérez de Corcho

Mein Vater redet gerne über die 1980er Jahre, die für ihn die goldenen Jahre Kubas waren. Vielleicht, weil über die schönen Erinnerungen zu reden die beste Art ist, um sie zu bewahren und vielleicht irgendwie noch einmal erleben zu können.

Auf dem Balkon des höchsten Gebäudes von Ciego de Ávila, einer kleinen Stadt 460 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, zeigt er auf einen Punkt ein paar Häuserblocks weiter und erzählt. „Da drüben, im Hotel Rueda, war ich ein paarmal für ein paar Pesos frühstücken, und immer, wenn ich hingehen wollte, hab ich einfach reserviert, und zack  … Und das mit dem ganz normalen Gehalt!“ Um einen Volksspruch zu zitieren: Es hat seither ganz schön viel geregnet!

Das Hotel Rueda ist geschlossen, seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Seit einigen Jahren ist von einer Totalsanierung die Rede, davon, es wieder in Betrieb zu nehmen, diesmal Ende 2017. Die Geschichte des Ortes verläuft in mehreren Abschnitten: Seine Glanzzeit, als es das wichtigste Gebäude der Stadt war, sein langsamer Niedergang, seine Schließung, und dann die vielen Daten, zu denen es wieder eröffnet werden sollte.

Im Jahr 1920 wurde es von den Gebrüdern Rueda erbaut, danach ging es in den Besitz der Familie Mezquitas über, den letzten Eigentümern. Damals wohnten dort regelmäßig die Geschäftsleute und die Reisenden, und zu vielen Anlässen warfen sich die Menschen in ihre Galaanzüge und -kleider und verbrachten den Abend mit national und international berühmten Persönlichkeiten.

Wie viele Gebäude in Ciego de Ávila ist auch das Hotel im eklektischen Stil gebaut. Es hat drei Ebenen, die sich in der Proportion der Fenster und Fassadendekoration grundlegend unterscheiden, und es ist geplant, dass das auch nach der Restaurierung so bleibt.

Ciego de Ávila ist, was man eine moderne Stadt nennt, im Unterschied zu den Kolonialstädten. Mit der Eröffnung der Fußgängerzone 2008 hat sich das Gesicht der Stadt verändert. Zum Besseren. Aber da war jene uralte Hotelruine, die mit dem Wind der Erneuerung so gar nicht zusammenpasste – und bis heute nicht zusammenpasst.

Für 2012 war die Einweihung vorgesehen, stand in einem Artikel der Lokalzeitung, und meine Mutter erinnert sich, dass das erste angekündigte Eröffnungsdatum sogar 2002 war. Ende 2016 verkündeten die Behörden, dass es in den ersten vier Monaten dieses Jahres fertig werden würde. Aber wieder scheinen die Berechnungen sich in Luft aufzulösen. Ein vor Kurzem in der Zeitung Invasor erschienener Artikel gibt den Lesern bekannt, dass man sich angesichts vollkommen unsicherer Voraussagen und dem Fehlen jeglicher gesicherter Information nicht weiter in das Thema vertiefen werde.

Ich komme fast jeden Tag am Hotel vorbei. Es sind Fortschritte beim Bau zu beobachten, auch wenn noch immer sehr viel fehlt. Aber ich will glauben, dass diesmal tatsächlich alles klappt.

Mir scheint, dass das Rueda die ganze Unbeweglichkeit in sich vereint, die ich in meiner Stadt beobachte, wo die extreme Ruhe einen mitunter verzweifeln lässt und wo das, was einmal neuen Elan geben sollte, Stück für Stück verfällt. Aber dieser Ort, an dessen verfallenen Anblick sich alle gewöhnt haben, gibt mir auch die Hoffnung, dass er eines Tages dafür steht, dass besser werden kann, was unveränderbar erschien. Das Rueda zeigt aus meiner Sicht jene Übergangsphasen, die wir auch als Nation gelebt haben: die goldenen Zeiten, die Zeiten, in denen wir glaubten, dass alles den Bach runtergeht, die Verunsicherung, die uns heute umgibt …

Ich wüsste gern, wann die so oft angekündigte Eröffnung nun stattfindet, was mein Vater empfinden wird, und ob die Geschichten, die er mir dann erzählen kann, wirklich nur die sind, die er mir schon so oft erzählt hat. Ich fürchte insgeheim, es wird so sein.

Lisandra López Pérez de Corcho, 24, lebt als Korrespondentin der Agencia Cubana de Noticias in Ciego de Ávila