„Kommunisten“ verhindern CDU-Feier

Keiner der Bremer Politiker wünscht sich eine große Koalition in Berlin, außer Bürgermeister Scherf. Bei der CDU geht die Angst vor einem Linksbündnis um, die Grünen fürchten die Oppositionsrolle nicht und die FDP findet alles nur noch „fantastisch“

Linksbündnis?„Das wäre der größte Wahlbetrug aller Zeiten.“

Bremen taz ■ Drei. Zwei. Eins. Jubel! Lautstark zählen die Anhänger der Linkspartei im Schlachthof den Countdown bis zur ersten Hochrechnung. Spitzenkandidat Klaus-Rainer Rupp strahlt: Er sei „sehr zufrieden“ mit den Prognosen, erklärt er. Alle Wahlziele seien erreicht worden. „Wir werden eine starke und handlungsfähige Fraktion im Bundestag haben.“ Der Spitzenkandidat rechnet sich zumindest eine Chance aus, selbst in den Bundestag einzuziehen. Dennoch: „Am Charakter der Politik wird sich nichts ändern“, erklärt Rupp. Der Verlierer der Wahl steht für die Bremer Linken fest: CDU/CSU ernten nur Hohn und Spott im Saal.

Dabei firmieren die Christdemokraten zu diesem Zeitpunkt als Wahlsieger. Doch so richtig zum Feiern ist ihnen nicht zu Mute. Landeschef Bernd Neumann grinst nicht so überlegen, wie noch einige Tage zuvor im Wahlkampf. Für ein zweites Unionsmandat aus Bremen habe es wohl nicht gelangt, sagt er schon früh an diesem Wahlabend. Neumann wird vermutlich weiter der einzige Bremer Unionspolitiker sein, der dem Bundestag angehört. Immerhin sei Kanzler Schröder abgewählt worden, sagt er, doch richtig überzeugt klingt das nicht. „Es scheint nicht gereicht zu haben für unser Wahlziel einer schwarz-gelben Koalition“, erklärt der Spitzenkandidat, während im Hintergrund Guido Westerwelle im ZDF kaum gegen den Jubel der eigenen Leute anreden kann. Die FDP habe profitiert von der Union, so Neumann. „Viele Leute hatten Angst, dass die FDP zu schwach wird und haben deswegen mit der Zweitstimmen Westerwelle gewählt. Der sollte uns dankbar sein.“

Bei der FDP keine Rede davon. Statt dessen: „Fantastisch.“ Der Landesvorsitzende Peter Bollhagen findet immer wieder nur ein Wort für das Abschneiden seiner Partei. „Fantastisch.“ Im Taumel der Begeisterung sieht er gar schon Spitzenkandidat Magnus Buhlert in den Bundestag einziehen, was bisher nur wenige Beobachter für möglich gehalten haben. Zwar sei es „traurig“, dass nun der fällige Politikwechsel ausgefallen sei. Auch „befürchte“ er eine große Koalition – eine „graue Lösung“.

Bei keiner Partei freut sich jemand über dieses Modell. CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau winkt nur ab, will gar nicht darüber reden. Im Café Weserterrassen wollen die Sozialdemokraten vor allem sicher stellen, dass Gerhard Schröder Kanzler bleibt – auch wenn die SPD nicht stärkste Kraft werde, fordert Landeschef Carsten Sieling. Die Genossen wollen sich das schlechte Ergebnis schön reden. „Wenn es am Ende nur zu einer großen Koalition reicht, sollte sie zeitlich und thematisch begrenzt bleiben“, fordert SPD-Spitzenkandidat Volker Kröning. In Bremen rechnet er mit einem „guten Ergebnis, nicht viel anders als beim letzten Mal“, sowohl bei Erst- wie bei Zweitstimmen.

Von einer rot-rot-grünen Koalition will zunächst niemand etwas wissen – außer einem: Bürgermeister Henning Scherf. Von einer Ampelkoalition seiner Partei mit FDP und Grünen wollte Scherf jedoch nichts wissen. Aus den Bremer Erfahrungen könne man den Berlinern nicht zur Ampel raten, das erklärte auch die Bremer Grünen-Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert. Die Grünen sollten die Oppositonsrolle nicht fürchten. Die wirtschaftsliberale FDP sei für die Grünen weder konzeptionell noch personell als Koalitionspartner akzeptabel.

Bei der CDU geht derweil die Angst davor um – vor allem vor der Linkspartei, die Bernd Neumann nur als „Kommunisten“ bezeichnet. „Wenn die SPD und Schröder mit denen kooperieren, wäre das der größte Wahlbetrug aller Zeiten“, tönt er. Bei der FDP gibt man sich gelassener: Eine Koalition aller linken Parteien sei „unwahrscheinlich“, sagt Bollhagen.

Und wer koaliert nun? Die offizielle Linie bei der Linkspartei ist eindeutig: „Es wird eine große Koalition geben“, sagt Rupp. Doch hinter den Kulissen sieht es anders aus: Die ersten Forderungen nach einer rot-rot-grünen Koalition sind schon zu hören.

mnz/ky/kawe