Die Flut in den USA

Vor zwölf Jahren versagte Präsident George W. Bush bei der Bewältigung des Hurrikans „Katrina“. Macht es Donald Trump heute besser?

Trump fast ganz nah am Wasser

TEXAS Der US-Präsident besucht einen halben Tag lang den von „Harvey“ betroffenen Bundesstaat. Er sagt „Wow“, umfährt die überschwemmte Metropole Houston, lässt sich informieren, verspricht finanzielle Hilfe

Trump mit seiner Frau Melania und dem Gouverneur von Texas, Greg Abbott: beim Briefing am Dienstag in der Stadt Corpus Christi Foto: Evan Vucci/ap

AUS DALLAS Dorothea Hahn

Donald Trump kann es nicht lassen. Auch angesichts der Katastrophe in Texas, wo er am Dienstag einen halben Tag verbringt, gebraucht er seine Superlative, seine Prahlerei und seine schlichte Wahlkampfrhethorik. Den Regensturm „Harvey“ nennt er: „episch“, „historisch“ und „Wow“. Seinen Zuhörern in Corpus Christi, wo die Verwüstungen vier Tage zuvor ihren Anfang genommen haben, ruft er zu: „Was für eine Menschenmenge! Was für ein Zulauf!“, schwenkt eine texanische Fahne und erklärt, dass Texas „alles“ könne.

Aber Worte an die Opfer hat er nicht. Zu dem Zeitpunkt sind bereits neun Tote gezählt worden, sind Zigtausende Menschen obdachlos geworden, warten unzählige weitere immer noch auf ihre Evakuierung, sind Hunderttausende ohne Strom, Lebensmittel und Trinkwasser – und die Fluten in der Stadt steigen weiter.

Präsident Nummer 45 wollte es in Texas besser machen: besser als sein Vorgänger Barack Obama, dem er immer wieder per Tweet vorgeworfen hat, dass er zu viel Golf spiele, statt Präsenz zu zeigen, wo er gebraucht werde; und besser als sein Vor-Vorgänger George W. Bush, der bei dem Hurrikan „Katrina“ in Louisiana versagte. Bush schwieg 2005 zu lange und erteilte dann auch noch dem Chef der Katastrophenbehörde das deplatzierte Lob: „Du machst hier einen super Job.“ Bei der Katastrophe kamen mehr als 1.800 Menschen ums Leben.

Als Trump am späten Dienstagvormittag in Corpus Christi aus dem Flugzeug steigt, trägt er statt der roten „Amerika ist groß“-Kappe eine weiße Baseballmütze mit der Aufschrift „USA“. Seine Frau hat ihre Stilettos gegen Turnschuhe ausgetauscht, ihr Haar trägt siez u einem mädchenhaft anmutenden Pferdeschwanz gebunden. Wenig später, als die beiden sich mit texanischen Politikern und Katastrophenhelfern zu einem „Briefing“ an einen Tisch setzen, versichert Trump, dass er die Rettungseinsätze erst dann loben werde, wenn sie erfolgreich beendet seien.

Doch schon wenig später bricht der alte Trump wieder durch, als er tönt, dass dieser vorbildliche Hilfseinsatz Geschichte machen und dass die Menschen eines Tages darauf zurückschauen würden. Er bewegt sich in einem Pulk von republikanischen Politikern. Gouverneur Greg Abbott empfängt den Präsidenten mit großem Lob. Schon Tage vor Beginn von „Harvey“ habe das Weiße Haus in engem Kontakt mit den Behörden vor Ort gestanden, versichert Abbott.

Nun auch Louisiana: Der Tropensturm „Harvey“ hat jetzt Louisiana erreicht. Nach Angaben des Nationalen Hurrikanzen­trums traf „Harvey“ am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) in der Grenzregion zu Texas zum zweiten Mal auf Land. Die Meteorologen warnten vor lebensbedrohenden Überflutungen. New Orleans, das bereits 2005 von Wirbelsturm „Katrina“ verwüstet wurde, rüstet sich für katastrophale Regenfälle.

In Texas blieb die Lage unübersichtlich. Über die genaue Zahl der Todesfälle herrschte Unklarheit. Die New York Times berichtete von etwa 30 Todesopfern. Nach Angaben von CNN vom frühen Mittwochmorgen wurde der Tod von mindestens 11 Menschen bestätigt. Darunter befinde sich ein Polizist aus Houston, der am Sonntag auf dem Weg zur Arbeit von den Fluten erfasst worden sei. Houstons Bürgermeister Sylvester Turner verhängte eine Ausgangssperre von Mitternacht bis 7 Uhr morgens, um Plünderungen in den verlassenen Häusern zu verhindern. (dpa)

Was auf den ersten Blick wie ein Heimspiel für Trump aussieht, ist tatsächlich komplizierter. Denn die Städte in Texas sind überwiegend demokratisch. Dafür sorgt unter anderem der hohe Anteil von Wählern mit Latino-Hintergrund in Texas. Trumps antimexikanische Slogans und seine Mauerpläne verstärken ihre Abkehr von den Republikanern.

In diesen Tagen sorgt Trumps Klimapolitik für zusätzliche Skepsis in Texas. Er hat nicht nur das Pariser Klimaschutzabkommen aufgekündigt. Erst Mitte August hat er eine Obama-Vorschrift gekippt, die vorsah, dass künftige Infrastrukturmaßnahmen, wie der Bau von Straßen und Brücken, so geplant werden müssen, dass sie den Folgen des Klimawandels standhalten können – etwa dem steigenden Meeresspiegel.

Kurz danach hat Trump erklärt, er denke gar nicht daran, die vielen freien Stellen bei der Katastrophenschutzbehörde (FEMA) wieder zu besetzen, die nun in Texas vor der möglicherweise größten Aufgabe ihrer Geschichte steht: „Wir brauchen sie nicht“, tweetete er: Er werde den Regierungsapparat verkleinern.

Unbesetzt ist unter anderem auch noch die Leitung des ­Na­tionalen Hurrikan-Zentrums und des Nationalen Instituts für Ozean und Atmosphäre (NOAA), der Dachorganisation des Wetterdienstes.

Donald Trump wolle bei den Rettungsarbeiten in Houston nicht stören, erklären die Mitarbeiter des Präsidenten

Der demokratische Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner – in diesen Tagen eine zentrale Figur in Texas –, lässt sich nicht mit dem Präsidenten sehen. Trump wiederum umfährt die 6-Millionen-Einwohner-Metropole im Zentrum der Katastrophe am Dienstag großräumig. Halt macht er nur in Corpus Christi und in Austin. Er wolle bei den Rettungsarbeiten in Houston nicht stören, erklären seine Mitarbeiter. Trump selbst sagt, er werde am Samstag erneut nach Texas kommen.

„Nutzen Sie Ihre Macht, kämpfen Sie für Houston“, hat der Houston Chronicle am Dienstag an den Präsidenten appelliert. Zu diesem Zeitpunkt schätzen einige Ökonomen den durch die Katastrophe verursachten Sachschaden bereits auf rund 200 Milliarden Dollar. Die Infrastruktur von Houston muss komplett erneuert werden, Zigtausende Häuser müssen renoviert oder abgerissen und ganz neu gebaut werden.

Trump schlägt keine nachdenklichen Töne an, zeigt keine Emotionen und umarmt keine Menschen, die in Not sind. Aber immerhin verspricht er finanzielle Hilfe, „und zwar sehr schnell“. Die Bundesregierung werde Texas nicht im Stich lassen, versichert er am Dienstag. Für einen, der ausgezogen ist, den Staat zu „verschlanken“, ist das erstaunlich.