Bush demonstriert späte Führungsstärke

In einer Fernsehansprache aus New Orleans kündigt US-Präsident George W. Bush ein umfassendes Wiederaufbauprogramm für die von „Katrina“ zerstörte Region an – und geißelt die durch Rassismus begründete Armut der schwarzen Bevölkerung

VON BERND PICKERT

In einer landesweit im Fernsehen übertragenen Ansprache hat US-Präsident George W. Bush am Donnerstagabend von New Orleans aus „eine der größten Wiederaufbauanstrengungen, die die Welt je gesehen hat“ angekündigt. Die Regierung werde die „Lektion von ‚Katrina‘ “ lernen, sagte Bush bei seinem inzwischen vierten Besuch.

Er versprach den Wiederaufbau aller vom Hurrikan zerstörten Städte unter wesentlich verbesserten Schutzbedingungen. Zwar würden die Gouverneure der drei Bundesstaaten Mississippi, Louisiana und Alabama sowie die Bürgermeister der betroffenen Städte die Entscheidungshoheit über die Art des Wiederaufbaus behalten, doch die Bundesregierung werde in allen Phasen voll involviert sein.

Den Menschen, die durch ‚Katrina‘ ihre Wohnungen und ihre Arbeitsplätze verloren haben, versprach Bush umfassende Unterstützung. Er kündigte die Schaffung einer „Gulf Opportunity Zone“ in den drei Bundesstaaten an. So solle mit Steuererleichterungen und Kreditgarantien für kleine und mittlere Betriebe die schnelle Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert werden. Mit Unterstützungsfonds für Arbeitskräfte bis zu 5.000 Dollar pro Person will die Bundesregierung jenen helfen, die sich fern ihrer bisherigen Heimat um einen neuen Job bemühen müssten. Und dem Kongress will Bush einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem Familien mit niedrigem Einkommen Bauland aus staatlichem Besitz überschrieben werden soll, auf dem sie dann, finanziert durch Kredite oder mit Unterstützung von Hilfsorganisationen, ihr neues Heim bauen sollen.

Wenn der Wiederaufbau abgeschlossen sei, „werden alle Amerikaner etwas haben, auf das sie stolz sein können“, sagte Bush, und forderte die Bürger überall im Land auf, sich durch Spenden oder Partnerschaften an den Bemühungen zu beteiligen.

Mit Blick auf die durch Bilder betroffener armer schwarzer Familien wieder aufgebrochene Rassismusdiskussion sagte Bush: „Wie wir alle im Fernsehen beobachten konnten, gibt es in dieser Region eine tiefe, dauerhafte Armut. Diese Armut hat ihre Wurzeln in einer Geschichte der Rassendiskriminierung, die ganze Generationen von den Entwicklungsmöglichkeiten Amerikas ausgeschlossen hat.“ Dieser Armut müsse mit entschlossenem Handeln begegnet werden.

Unter den Abgeordneten und Senatoren im US-Kongress haben die Ankündigungen eine Diskussion über die Finanzierbarkeit der Vorhaben ausgelöst. Schon jetzt wurden die unmittelbaren Folgekosten auf über 200 Milliarden Dollar geschätzt – bislang bewilligte der Kongress 60 Milliarden Dollar an Soforthilfe.

Gerade jene Teile der Republikaner, denen die Rekorddefizite der vergangenen Jahre ein Dorn im Auge waren, reagieren skeptisch auf Bushs Ankündigungen. „Wir sind nicht sicher, dass Bush weiß, auf was er sich da einlässt“, zitiert die New York Times einen Mitarbeiter der Republikaner im Repräsentantenhaus. „Wir wissen, dass es um eine große offene Rechnung geht“, sagte der republikanische Senator John McCain, „wir können sie nicht zukünftigen Generationen hinterlassen.“

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