Die Eigenart des Professors

AvantgardeDas Ensemble Adapter präsentiert eine Platte mit Liedern Franco Donatonis

Das deutsch-isländische Quartett Ensemble Adapter Foto: promo

Den 90. Geburtstag von Franco Donatoni feierten diesen Juni nur wenige. Zwar findet man den Namen des italienischen Komponisten in gut sortierten Plattenläden neben Größen wie Karlheinz Stockhausen oder ­Pierre Boulez, doch ist Donatoni für die große Öffentlichkeit bis heute ein Unbekannter. Obwohl seine Werke musikalisch gesehen eine größere Rolle spielen sollten, schaffte der 1927 geborene Musiker nie den Durchbruch. Das könnte an den ex­tre­men mentalen Zuständen des Kreativen liegen, die ihn in depressiven Phasen oft jahrelang vom Komponieren und Veröffentlichen seiner Stücke abhielten. Im Jahr 2000 verstarb der Komponist und Professor in Mailand. Heute halten jüngere Musiker sein Erbe der Neuen Musik am Leben.

Matthias Engler, Musiker des Ensembles Adapter, kann nicht verstehen, warum Donatonis Musik im Vergleich zu der anderer Komponisten seiner Generation so selten gespielt wird. Er führt die radikale Musik des Avantgardisten schon länger mit seinem deutsch-­isländischenQuartett auf. Seine drei Musikerkollegen lernte Engler im Musikstudium in Amsterdam kennen. Seit 2011 organisieren sie Konzertreihen im Veranstaltungsraum des Weddinger „ExRotaprint“. So auch das Record Release Konzert am Donnerstagabend zur neuen Veröffentlichung „Franco Donatoni: Chamber Works“. Zum 90. Jubiläum des italienischen Komponisten nahm Engler mit dem Ensemble Adapter eine Platte mit acht ­Liedern des Komponisten auf.

Die Recherche über Donatoni und seine Musik, insbesondere von drei Ersteinspielungen, gestaltete sich dabei schwierig: Oft waren die Partituren nicht eindeutig notiert, sodass unklar blieb, wie Donatoni sich seine Musik vorstellte. Für die werkgetreue Interpretation und Auslegung kontaktierten die Ensemblemitglieder sogar ehemalige Schüler des Komponisten. Diese konnten den Musikern aus Berlin nur die charakteristische Eigenartigkeit ihres Professors, die in seiner Musik durchkommt, bestätigen. Auch wenn er den Erzählungen nach ein schwieriger Charakter war, bewundert Engler, dass Donatoni nie von seinem Weg abkam und immer eigene Regeln in seiner Musik befolgte. Bezeichnend für Donatonis Stil war es, dass er in einem strikten System komponierte. Oft bewegen sich seine Kompositionen um fünf oder sieben festgelegte Töne. Seinen Schülern erklärte Donatoni immer wieder, dass eine einzige Idee ausschlaggebend für ein Stück sei. „Man sollte sich einen Code – ein Regelwerk – überlegen, nach dem wir eine einzelne Idee organisieren, transformieren und fortspinnen können“, waren seine Worte. Er hielt sich daran.

Am Donnerstag kann man dies mit eigenen Ohren hören. In dem lebendigen Stück „Small“ (1981) für Piccoloflöte, Klarinette und Harfe bediente sich der italienische Komponist an eigenen Motiven aus anderen Solostücken. Teilweise übertrug er sie eins zu eins in das Lied und ließ sie miteinander wirken. Die Dekonstruktion klingt aber keinesfalls nach einer Wiederholung – vielmehr erkennt man darin, dass aus der Kombination von alten Ideen etwas ganz Neues entstehen kann. Lorina Speder

Release Konzert, heute Abend, 20.30 Uhr, Ex-Rotaprint, Wedding