Autogramme von der „Bitch“

ILB 3Laurie Penny überzeugt ihre Fangemeinde beim Auftritt in Berlin

Laurie Penny Foto: Sonja Trabandt

„Auch Bitches sollten höflich sein“, sagt Laurie Penny bei der Präsentation ihres sechsten Buchs „Bitch Doktrin – Gender, Macht und Sehnsucht“ am Samstagabend auf dem 17. Internationalen Literaturfestival Berlin. Nachdem die Schauspielerin Regina Gisbertz wohlklingend die Einleitung „Bitch-Logik“ auf Deutsch vorgelesen hat, bedankt sich Penny zunächst charmant bei allen Beteiligten, bei ihrem Verlag, der Übersetzerin Anne Emmert – die wie schon beim vorherigen Werk „Unsagbare Dinge“ ohne Reibungsverluste ins Deutsche übertragen hat – und ganz besonders bei der Synchronübersetzerin.

Nicht high

Weil Penny verhindern möchte, dass diese eine Herzattacke erleidet, würde sie betont langsam sprechen: „Auch, wenn es so wirkt: Ich bin nicht high!“ Das zahlreich erschienene Publikum ist der 30-jährigen Journalistin und Feministin sehr zugetan, lacht, und lauscht gebannt.

Penny sagt, dass jede Politik Identitätspolitik sei, manche Identitäten dabei stärker politisiert werden würden als andere. Frauen, People of Color, LGTB würden gegeneinander aufgehetzt, um abzulenken, um den Status quo, der Vorherrschaft weißer, bürgerlicher, gebildeter Männer, zu erhalten.

Die deren Meinungshoheit untermauernde strukturelle Ungerechtigkeit müsse aufgebrochen werden. Frauen würden immer zuerst als Frauen wahrgenommen, „egal, was sie sonst noch sein mögen“. Das müsse sich ändern, fordert die Britin.

Penny analysiert den Ist-Zustand unserer Gesellschaften, benennt wortgewandt, und – das unterscheidet sie von anderen, als verkniffen gebrandmarkten Feministinnen – mit Stinktier-Humor historische Missstände, die wahrscheinlich viele der im Saal Anwesenden aus eigener Erfahrung kennen. Auch wenn Penny sich ihren großen Erfolg in Deutschland nicht so recht erklären kann, ist doch klar, dass sie mit ihrer akkumulierten Kritik als Sprachrohr wahrgenommen wird. Da sie für ihre Äußerungen ohnehin als Miststück, als Bitch, tituliert werde, nimmt sie sich die Freiheit, ganz unverblümt zu sagen, was sie denke.

Luft ablassen

Etwaiger Kritik, dass sie keine Lösungswege aufzeige, lässt sie mit dem Hinweis die Luft ab, dass es als Journalistin auch nicht ihre Aufgabe wäre, „zu bestimmen, wie die Welt zu funktionieren hat“ (im Kapitel „Liebe und andere Pflichten“ von „Bitch Doktrin“ wird sie doch konkret und fordert das bedingungslose Grundeinkommen, um Frauen aus der „Abhängigkeitsfalle“ zu befreien).

Sie stelle aber fest, dass sich die Haltung zum Thema Gender ändere, durch ein neues Bewusstsein für herrschende Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, People of Colour, LGTB.

Den aus dem Publikum erfragten Rat für den Alltag im Leben einer Bitch verweigert sie, weil sie glaube, dass sie erst mal mit sich klar kommen müsse, bevor sie irgendjemand dahingehende Ratschläge erteilen sollte, zu ihrer eher halbherzigen Distanzierung von der Anti-Israel-Lobby BDS wird sie leider nicht befragt.

Alles Weitere konnten ihre Fans während der Signierstunde mit ihr besprechen, geduldig Tee schlürfend geht sie auf Lob und Tadel im persönlichen Gespräch ein. Sylvia Prahl