taz. thema
: FAIRER HANDEL

die verlagsseiten der taz.die tageszeitung

Ein menschenwürdiges Leben für alle, weltweit

Entscheidung Die hiesigen Akteure des fairen Handels formulieren zur Bundestagswahl 2017 drei konkrete Forderungen

Die Faire Woche 2017 findet vom 15. bis 29. September zum Thema „Wirtschaftliche Perspektiven für die Produzent*innen im Globalen Süden“ statt.

Bundesweit finden seit 2001 jährlich 2.000 bis 2.500 Veranstaltungen statt: über den fairen Handel in Deutschland und weltweit.

Die Akteure des fairen Handels fragen schon im Vorfeld: „Was ist eure Sicht auf den fairen Handel?“ und fordern alle auf: „Teilt eure Ideen, Fotos und Videos mit uns in den sozialen Netzwerken!“

Von Manfred Ronzheimer

Kleines Wahlkreuz mit großer Wirkung. Die Bundestagswahl am 24. September wird für die weitere Entwicklung des fairen Handels in Deutschland wie auch international von Bedeutung sein. Davon sind das Forum Fairer Handel und der Weltladen-Dachverband überzeugt, weshalb sie gemeinsam „Politische Forderungen des fairen Handels zur Bundestagswahl 2017“ formuliert haben.

In Zeiten, da das Ausland und Menschen von dort, insbesondere Flüchtlinge, in Teilen der Bevölkerung als Bedrohung empfunden und Ängste geschürt werden, sollen den Negativparolen positive Entwürfe eines „menschenwürdigen Lebens für alle weltweit“ entgegengesetzt werden. „Dabei geht es nicht um romantische Träumereien oder Utopien“, heißt es in dem Forderungskatalog, „sondern um Zukunftsbilder, die bis 2021 umsetzbar sind, wenn in den nächsten vier Jahren die notwendigen politischen Maßnahmen ergriffen werden“.

Drei Visionen für die Zukunft trägt der faire Handel in die politische Arena, die jeweils mit drei konkreten Forderungen an die künftige Regierung untermauert werden: faire Arbeitsbedingungen weltweit; eine bäuerliche Landwirtschaft, die alle Menschen ernährt; menschenwürdiger Umgang mit allen.

Die Vision „fairer Arbeitsbedingungen“ zielt darauf ab, dass die Menschen „weltweit in Würde arbeiten und sich dadurch einen guten Lebensstandard leisten“ können. Dabei geht es neben dem Arbeits- und Unfallschutz auch um die Einhaltung der grundsätzlichen Menschenrechte. Diese „verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflicht“, so eine der politischen Forderungen, müsse „für deutsche Unternehmen entlang ihrer gesamten ­Lieferkette per Gesetz festgeschrieben werden“. Bei Verstößen sollen Betroffene aus dem Ausland gegen deutsche Unternehmen in Deutschland klagen können.

„Fairer Handel statt Freihandel“, lautet ein weiterer Forderungspunkt. Dabei geht es vor allem darum, die von der Europäischen Union mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten geschlossenen bilateralen Handelsabkommen „so schnell wie möglich rückgängig zu machen“. Besonders umstritten sind die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) für den afrikanischen Raum, weil sie dort billigen, weil subventionierten Agrarimporten aus Europa Tür und Tor öffnen und damit den heimischen Kleinbauern die Absatzmärkte rauben. „Die EPAs machen es den afrikanischen Staaten fast unmöglich, eigene nationale und regionale Binnenmärkte aufzubauen und die Wertschöpfung vor Ort zu steigern“, kritisiert Manuel Blendin, Geschäftsführer des Forums Fairer Handel. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel habe eingestanden, dass einige der Handelsabkommen zwischen der EU und afrikanischen Staaten in die falsche Richtung gehen. Sofort nach der Wahl müsse sich Deutschland in der EU für eine Neuverhandlung der EPA-Verträge einsetzen, fordert Blendin.

Die zweite Vision einer bäuerlichen Landwirtschaft, die ökologische Nahrungsmittel produziert und den Bauern ein gutes Auskommen ermöglicht, kann auch von deutscher Seite unterstützt werden. Die Entwicklungspolitik wie auch die Agrarpolitik sollten vor allem Kleinbauern fördern, zumal ihre Wirtschaftsweise im Unterschied zur industriellen Landwirtschaft einen deutlich höheren Nährwert pro Hektar bei geringeren Dünger- und Energieeinsatz und ebenfalls weniger Umweltschäden produziert. „Die Konzernmacht eindämmen und unfaire Handelspraktiken verbieten“ ist eine weitere politische Forderung der Agrarvision.

Das dritte Handlungsfeld zielt auf die Verwirklichung humanitärer Grundwerte, was besonders die aktuelle Flüchtlingspolitik betrifft. Der faire Handel, so die Vision, strebe „eine weltoffene, solidarische Gesellschaft an, die lebenswerte Perspektiven für Schutzsuchende bietet und in der Rassismus und Diskriminierung keinen Platz haben“, heißt es im Forderungskatalog. An konkreten Maßnahmen werden eine „humane und integrative Asylpolitik mit fairen Asylverfahren“ verlangt sowie ein „ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben für Geflüchtete“. Damit ist die Förderung fair hergestellter Produkte im heiß umstrittenen Bereich der Innen- und Integrationspolitik angekommen.

Visionen wollen einen weiten Ausblick geben. Auch die „Visionen des fairen Handels“ reichen weit über den deutschen Wahlgang 2017 hinaus. Sie enthalten die Hoffnung, dass in den fairen Produkten, ihrem Konsum und ihrer Unterstützung, auch ein Stück Weltverbesserung enthalten ist.

Diese Perspektiven will auch die 16. „Faire Woche 2017“ vermitteln, die vom 14. bis 29. September stattfindet. Es handelt sich um die größte Aktionswoche des fairen Handels in Deutschland, an der sich eine Vielzahl von Weltläden, Fair­trade Towns, Schulen, Kirchen, Umweltgruppen und Privatpersonen beteiligen. Besuche von Handelspartnern aus dem Globalen Süden bilden den Höhepunkt der Fairen Woche, die mit einem „Coffee Fairday“ endet.