Sand im Getriebe

Diskrete Faulheit am Arbeitsplatz: Die französische Autorin Corinne Maier liest im Literaturzentrum

von Carola Ebeling

Handelt es sich um eine subversive Idee oder einen Aufruf zum „Parasitentum“? Die Rede ist vom Bestseller der französischen Autorin Corinne Maier, den sie jetzt im Literaturzentrum vorstellen wird: Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun hat sich allein in Frankreich 250.000 Mal verkauft.

Maier, selbst leitende Angestellte des staatlichen Energiekonzerns EDF, nimmt die Funktionsweise, die inneren Strukturen und Widersprüche moderner Großunternehmen ins Visier und attackiert sie mit viel Witz, Ironie und Polemik. Angesichts der von ihr konstatierten Verlogenheit, der Profitgier und Inhumanität in den Chefetagen rät sie zur „inneren Kündigung“, zur Vermeidung realer Arbeit: „Macht es mir nach, ihr kleinen Angestellten, Lohnabhängigen, Neosklaven, Verdammte des Tertiärsektors, Hilfskräfte des ökonomischen Prozesses, meine Brüder und Schwestern, die von abgestumpften und unterwürfigen Subchefs herumkommandiert werden und gezwungen sind, sich die ganze Woche lang wie ein Kasper zu verkleiden und ihre Zeit mit nutzlosen Meetings und bescheuerten Seminaren zu vergeuden!“

Verlogen sei die Rede von Ethik, wo jeder nur als verfügbare Ressource behandelt werde: Massenentlassungen tangieren das Gewissen der Chefmanager nicht, stimulieren aber aufs Angenehmste deren Kontostand. Man preise die individuelle Entfaltung und verlange tatsächlich die Duckmäuser und perfekt Angepassten. Daraus leitet Maier auch eine schräge Typologie der Unternehmensprotagonisten ab: „Das Grundmodell des höheren Angestellten: franko-bieder, geschmeidig, vorzugsweise männlich“. Maier zitiert groteske Beispiele einer Sprache, die den Anspruch, Bedeutungen zu vermitteln, radikal abgestreift habe – einerseits ergehe sie sich in purer Phrasendrescherei, andererseits machten ständig neu erfundene Kürzel sie vollkommen unverständlich.

Überhaupt scheint das Groteske im Unternehmen allgegenwärtig: Das höchste Ziel der Aktion sei die Aktion, das Produzieren und anschließende Sortieren von Papiermassen ersetze sinnvolles Arbeiten. Maiers Rat: Man suche sich eine Nische, in der die Wirksamkeit des eigenen Tuns am schwersten zu messen ist, man übe sich dort in der Mimesis von Arbeit und verhalte sich unauffällig.

Sie liebe die „Parasiten“, sagt Maier – aber sie liebt auch die Widerständigkeit. Ob beides zusammengeht, lässt sich fragen – auch wenn das Buch eine in vielem sehr scharfsinnige und schlagfertige Polemik und keine politisch motivierte Analyse ist: „Sand im Getriebe sein“ und gleichzeitig in diskreter Unauffälligkeit verschwinden, das dürfte schwierig werden.

Corinne Maier: „Die Entdeckung der Faulheit“. München 2005, 155 S., 12,20 Euro. Lesung: Mo, 19.9., 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38