Warten auf den freien Markt

Kunden des Hamburger Gasversorgers Eon Hanse dürfen sich auf Einblick in die Bücher des Konzerns freuen. Verbraucher in NRW gucken in die Röhre. Sammelklagen sind hier nicht vorgesehen

VON ELMAR KOK

Trotz des Erfolges der Verbraucherzentrale (VZ) Hamburg wird ihr nordrhein-westfälisches Pendant die Gaskunden in NRW nicht bei Sammelklagen gegen Gaskonzerne unterstützen. Die Hamburger VZ hatte am Donnerstag vor dem Hamburger Landgericht einen ersten Teilerfolg verbuchen können. 54 Eon-Kunden verlangen dort mit Unterstützung der VZ die Offenlegung der Kalkulation des Energieriesen. Die Preiserhöhungen von Eon vom 1. Oktober 2004 sowie vom 1. Februar und 1. August dieses Jahres seien nicht angemessen, argumentieren sie. Die Vorsitzende Richterin des Verfahrens teilte daraufhin mit, dass es nach bisherigem Stand Meinung des Gerichtes sei, dass Eon Hanse die Kalkulation offen legen müsse.

Die Verbraucherzentrale NRW will keine Sammelklagen anschieben, „da es in Nordrhein-Westfalen in etwa 200 Versorger gibt“, so VZ-Sprecher Thomas Bernhard. Der Vorteil der Hamburger Kunden sei, dass es in Hamburg nur einen Gasversorger gebe, gegen den geklagt werden konnte, sagt Bernhard. „Sie können ja ihren Gasanbieter nicht frei wählen.“

Genau wegen dieses Problems stehen zurzeit 19 Kunden des Gasversorgers Eon-Westfalen-Weser in einem Verfahren vor dem Kartellsenat des Dortmunder Landgerichts. Sie halten die Abrechnungspreise ihres Gasversorgers für zu hoch und weigern sich, die Preiserhöhungen zu bezahlen. Ihr Anwalt Reinhard Weeg vermutet, dass die Verbraucherinitiative in Nordrhein-Westfalen nicht so aktiv wie die Hamburger ist, da die großen Gasversorger, namentlich Eon und RWE ihre Steuern in Nordrhein-Westfalen bezahlen. Weeg sieht das Hamburger Verfahren als Präzedenz-Fall, der auch das Verfahren gegen seine Mandanten beeinflussen könnte. Im Kern gehe es im Streit um die Veröffentlichung der Kalkulation darum, ob der Konzern ein schützenswertes Interesse habe, seine Bilanzen geheim zu halten, oder ob der Verbraucher ein schützenswertes Interesse vor der Marktmacht der Monopolisten habe.

Weeg erhofft sich für das Dortmunder Verfahren, das am 16. März eröffnet wird positive Signale. Das Hamburger Gericht wird seine Entscheidung am 8. Dezember bekannt geben. Zudem hat das Bundeskartellamt kritisiert, dass die Gasversorger den Wettbewerb behinderten, indem sie mittels langfristiger Verträge mit den Stadtwerken den Gasmarkt abschotteten. Kartellamtschef Ulf Böge hatte den Unternehmen mit Untersagungsverfügungen gedroht, sollten sie bis zum 21. September nicht gewillt sein, ihre Lieferverträge neu zu ordnen.

Gestern ging dem Dortmunder Landgericht eine neue Klage gegen einen Gaskunden ein. Die Dortmunder Energie und Wasser (DEW), eine Tochter der Dortmunder Stadtwerke und RWE, verklagt ein Kundenehepaar auf Zahlung von 122 Euro, wie DEW-Sprecher Albert Herzman sagt. Zuvor hatte die DEW ihrem Kunden gedroht, das Gas abzustellen, musste von dieser Forderung aber wegen einer einstweiligen Verfügung zurücktreten. Dass die DEW vor Gericht Recht bekommt, dessen ist sich Herzman sicher. Die Landeskartellbehörde habe die Kalkulation der DEW genehmigt, sagt er. „Außerdem geht es bei uns nicht um die 25 Prozent Preiserhöhungen, um die es in Hamburg insgesamt geht“, so Herzman. Lediglich neun Prozent mehr wolle die DEW seit vergangenem November von seinen Kunden.

Der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE), der 20 Energieunternehmen ohne eigene Vertriebsnetze vertritt, treibt mittlerweile die Sorge um, dass es bei der Liberalisierung des Gasmarktes zu ähnlichen Problemen kommt, wie zuvor im Strommarkt. Durch hohe Nutzungsentgelte für den Weg zum Verbraucher gibt es dort kaum Wettbewerb. Laut BNE haben bisher 200 private und gewerbliche Kunden ihren Gasanbieter gewechselt. Ab Februar kommenden Jahres gilt deshalb ein neues Modell, bei dem Gasanbieter nur noch dort, wo sie ins Netz einspeisen und dort wo sie das Gas wieder dem Netz entnehmen, zahlen müssen. Bis dahin wird der Gerichtsstreit kaum beendet sein. VZ-Mann Bernhard geht davon aus, dass Eon bis zum Bundesgerichtshof gehen wird, um eine Offenlegung der Kalkulation zu verhindern.