Rainer Schäfer
Radikale Weine
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Lange galt der 51. Breitengrad als Polargrenze für den Weinbau. Er zieht sich durch das nördlichste deutsche Anbaugebiet: die Saale-Unstrut-Region. In der kurzen Vegetationsphase konnten die Trauben häufig nicht die nötige Reife erreichen. Das Resultat waren oft fragile Weine mit einer harschen Säure, die auch intakten Magenwänden zusetzen konnte.

Das aber gehöre längst der Vergangenheit an, sagt Matthias Hey, der in Naumburg an der Saale das Weingut führt, das seine Eltern 2001 gründeten. Dass dies beinahe am Nordpol liege, kann Hey nicht mehr hören. „Wir zählen zu den Gewinnern des Klimawandels“, sagt er. An der Saale entstehen aromatische und filigrane „Cool-Climate-Weine“, während Winzer in anderen Anbaugebieten in warmen Jahren Mühe haben, den Alkoholgehalt ihrer Erzeugnisse im Zaum zu halten.

Zwischen Saale und Unstrut werden inzwischen sogar beachtliche Rotweine vom Spätburgunder und Zweigelt gekeltert. Matthias Hey, Jahrgang 1982, ist einer der jungen Winzer, die für das gewachsene Selbstbewusstsein und den ansteckenden Enthusiasmus in der Zwei-Flüsse-Region stehen. „Wir werden von den Einheimischen wie Künstler behandelt und nicht wie Weinbauern“, sagt Hey.

Bevor er im Weingut seiner Eltern den Keller übernahm, verbrachte er zwei Jahre im nordostitalienischen Friaul, „um meinen Horizont zu erweitern“. Nach seiner Rückkehr begann Hey zu experimentieren, bis er mit langen Maischestandzeiten, Spontanvergärung und ausgedehntem Hefelager zu seiner eigenen Stilistik und Handschrift gefunden hatte.

Inzwischen bearbeitet die Familie fünf Hektar Reben in Steillagen, ihre Weine finden weit über das Anbaugebiet hinaus Beachtung. Matthias Hey hat sich einen Namen gemacht mit spielerischen Rieslingen, er hat aber auch ein Faible für Weißburgunder, der auf Buntsandstein- und Muschelkalkböden in den Lagen Naumburger Steinmeister und Sonneck steht. Der Burgunder wurde im Edelstahl und im Barrique ausgebaut, er duftet aromatisch nach Blüten, weißem Pfirsich, Apfel und Birne. Im Mund baut er eine feingliedrige und dichte Struktur auf, mit feinem mineralischem Schliff.

Es sind keine lauten Weine, die Matthias Hey erzeugt. Sie brauchen keine brachialen Argumente, um zu überzeugen. In feinen Nuancen zeigen sie die neuen Möglichkeiten in Saale-Unstrut.

Weißburgunder Ortswein 2016, 12,90 Euro, Bezug über www.weinguthey.de