Wen wir wählen

Wahl-O-taz 300 Menschen arbeiten bei der taz und ebenso viele Meinungen zur Wahl gibt es. Hier outen sich zehn tazlerInnen und verraten, mit welchen Parteien sie es morgen halten

Grüne

Die Grünen brauchen Menschen wie mich. Stammwähler, die sich auch von kruden Wahl-O-Mat-Vorgaben nicht verbiegen lassen. Ich wähle Grün, immer, ohne dieses Ausschlussprinzip – die nicht, weil zu altbacken, weil zu viel Unterhemd, weil zu utopistisch-altwandlitzig, weil irgendwas. Klar, manche Grüne gehen mir auf die Nerven. Besserwisser, Moralisten, steckengeblieben. Schnitzel? Schlümm. Aber: Man findet nie alles gut und richtig, irgendwas ist immer. Nehme ich in Kauf, weil der grüne Kern mir wichtig ist. Uff, grüner Kern klingt nach Körneröko. Dann halt, meinetwegen: als grüner Zierstreifen auf’ner Krawatte.

Felix Zimmermann, 43, leitet die taz.am wochenende

Linkspartei

Für mich war immer klar, dass ich die Grünen wähle. Atomausstieg, Energiewende, die ökologische und soziale Transformation der Gesellschaft – die Wahlentscheidung lag auf der Hand. Und jetzt? Energiewende, E-Auto und Ehe für alle können und wollen jetzt auch andere. Wahlentscheidender finde ich mittlerweile, als taz-Mitarbeiterin mit unterdurchschnittlichem Einkommen und zu erwartender Niedrigrente: eine entschiedene Sozialpolitik. Vermögensteuer, Mieterschutz, Schutz vor Altersarmut und Abkehr von der Agenda-Politik. Und wo finde ich die? Bei der Linken. Leicht wird das nicht. Putin-Gutfinder, Antisemiten, Nato-Hasser – außenpolitisch ist mir die Linke (die zum Glück nicht dazu kommen wird, außenpolitisch zu agieren) suspekt. Auch Teile ihres Spitzenpersonals. Aber das gefällt mir zurzeit bei den Grünen auch nicht.

Nina Apin, 43, leitet die taz-Meinungsredaktion

SPD

Laut Wahl-O-Mat müsste ich die Linkspartei wählen: 80,6 Prozent Übereinstimmung. Das liegt wohl daran, dass ich sozialen Wohnungsbau gut finde, Rüstungsexporte ablehne, gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge bin – und mir Weltfrieden wünsche. Und, klar, ein Deutschland ohne Dieselautos und Braunkohle, dafür aber mit viel Solidarität wäre mir am allerliebsten. Die Grünen belegen mit 74,5 Prozent wohl deshalb Platz 2 in meiner Wahl-O-Mat-Gunst. Wählen werde ich aber weder Linkspartei (so was von starrköpfig!) noch Grüne (langweiliges Spitzenpersonal). Sondern, ja: die alte Tante SPD. Und das, obwohl ich mit Schulz’ Programm nur zu 59,2 Prozent d’accord gehe. Aber besser eine GroKo mit einer halbwegs starken Juniorpartnerin SPD als ein schwarz-gelbes Wirtschaftsbündnis.

David Joram, 27, ist Volontär bei der taz

Linkspartei

Mein beide Stimmen bekommt die Linkspartei. Ich wähle links, trotzdem ich eigentlich ziemlich öko bin und mir Wahl-O-Mat und Co. die Grünen zuerst nahelegen. Ja, das Grünen-Wahlprogramm spiegelt viele meiner Überzeugungen, doch ich traue dem grünen (Spitzen-)Personal nicht über den Weg. Und: Die Grünen können Soziales nicht. Hier ist ihnen die Linke überlegen. Was Grüne, Sozen, CDUler nicht verstehen wollen: Ohne eine robuste und komfortable soziale Sicherung fällt Deutschland auseinander. Erstes Symp­tom des Zerfalls – die AfD. Es braucht eine starke soziale Stimme im Bundestag. Gleichwohl geht mir die „Außenpolitik“ der Linken komplett gegen den Strich. Ihr religiöses Verhältnis zum Pazifismus ist weltfremd. Doch unterm Strich ist eine starke Linke jetzt die bessere Wahl.

Manu Schubert, 33, ist Redakteur für Verlagsthemen

Grüne

Im folgenden die Zutaten für meine Entscheidung, 100 Prozent Grün zu stimmen:
 375 g ökologisches Gewissen, fein gestößelt im Mörser, 2 EL geschmolzene Gewohnheit, 3 Bioeiweiß steif geschlagen
 mit 2 TL Regenwaldrohrzucker, 50 g Mitleid, wochenlang gegangen durch „Schulz“-Hefewürfel (Ladenhütermarke), eine Prise Verachtung, 0,1 l „Kellergeister“ 0,35 l „Alte Liebe“. Alles gut verrühren, bei Ober- und Unterhitze bis Sonntag 18 Uhr backen. Nach Verbringen des Souf­flés in den Ofen noch mal kurz Kopf schütteln. Wieder nicht taktisch gewählt. Die restlichen Eigelbe auf Lindner-Plakate werfen.

Harriet Wolff, 49, ist Redakteurin der Wahrheit

SPD

Martin-Schulz-Bashing ist ja gerade sehr en vouge. Ich verstehe das nicht. Mich hat Martin Schulz emotional erreicht. Ich finde ihn nahbar, greifbar, hab Respekt vor seiner Aufstiegsgeschichte und mag, dass er sich klar ausdrückt. In Zeiten, in denen Parteiprogramme sich sowieso nur in Nuancen von­ein­ander unterscheiden, gibt für mich zuletzt den Ausschlag, welche Person zu mir durchdringen kann und etwas in mir anrührt. Bei Schulz ist das so. Deshalb geht meine Zweitstimme an die SPD.

Verena Schneider, 37, ist Ressortleiterin von taz.de

Linkspartei

Die Linkspartei kann Populismus. Das ist weder neu noch schön. Was sie nicht so gut kann: innerparteilich moderne, linke Positionen gegenüber alten ideologischen Standpunkten durchsetzen. So weit, so traurig. Nur, was bleibt dir, wenn du für mehr soziale Gerechtigkeit, weniger Lobbyismus und gegen den neoliberalen Konsens der bürgerlichen Mitte wählen möchtest? Ach ja, die Grünen. Die sind derzeit auch aktiv dabei, mit ihrem Erbe zu ringen, nur weniger im Sinne einer Modernisierung, als im Sinne eines neoliberalen Shifts. Am Ende habe ich also, mit leichten Bauchschmerzen, die Linkspartei gewählt und damit eine Partei, die seit Jahren gute, wichtige Oppositionsarbeit betreibt und der ich auch in Zukunft zutraue, linke Politik zu machen.

Jakob Werlitz, 28, arbeitet im digitalen Verlags­marketing der taz

Grüne

Links protestantische Langeweile, rechts schwäbischer Mainstream und in der Mitte Bundespräsidentenflair: Ja, das Abschlussplakat der Grünen mit Katrin Göring-Eckardt, Cem Özdemir und Winfried Kretschmann ist schon ein Knaller. Aber hey, muss ich Politiker mögen? Nehmen wir stattdessen ein x-beliebiges Thema, zum Beispiel den Klimawandel: Wer ist am konsequentesten für einen Umbau der Landwirtschaft, für die erneuerbaren Energien, für eine andere Mobilität? Eben. Und selbst Kretschmann hat seinen Satz „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr Autos“ wiederholt. Also.

Stefan Mahlke, 55, aus der Korrekturabteilung der taz

Grüne

Ich wähle erstmals in meinem Leben die Grünen. Bisher, also seit der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990, habe ich im Bund immer die Linke gewählt. SPD und Grüne gingen nicht, die Brioni-Macho-Koalition der Jahrtausendwende hatte mich nachhaltig abgestoßen. Diesmal aber ist die Linke unwählbar geworden. Wegen Sahra Wagenknecht. Eine Fraktionschefin, die streng links agitiert und rhetorisch rechts fischt, ist ein wahrgewordenes populistisches Klischee. Dann lieber die Grünen. Die nerven auch, haben aber in der Flüchtlingspolitik eine solidarische Haltung.

Anja Maier, 51, Redakteurin im taz-Parlamentsbüro

CDU und Demokratie in Bewegung

Fotos: Miriam Klingl

Ich habe dieses Mal mit der Erststimme die CDU ­angekreuzt, weil ich Christina Schwarzer sehr gut finde. Die ist auch im Vorstand der Lebenshilfe. Ich wünsche mir, dass sie in den Bundestag reinkommt. Sie hat für die Ehe für alle gestimmt und daraufhin Mails bekommen, was das soll. Das muss sie selber entscheiden, wofür sie stimmt, finde ich. Es gibt in der CDU auch Leute, mit denen könnte ich keine ­Politik machen. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was die CDU macht. Wenn zum Beispiel immer diskutiert wird über die Flüchtlinge, damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Die Zweitstimme habe ich an Demokratie in Bewegung gegeben. Ich finde es besser, die zweite Stimme an eine andere ­Partei zu geben. Um denen auch eine Stimme zu geben. Ich habe die mir erst mal angeschaut und wünsche mir, dass die nicht die Hoffnung aufgeben. Manche geben immer gleich die Hoffnung auf. Mal abwarten.

Christian Specht, 48, ist im Vorstand der Berliner Lebenshilfe. Seit Jahren hat er einen Schreibtisch in der taz