Von Vertriebenen vertrieben

Weil er sich ihre Einflussnahme verbat, haben Landsmannschaftler den Direktor des Ostpreußenmuseums geschasst. Solidaritätsadressen hat Ronny Kabus seither viele erhalten. Nur vor Taten schreckt man in Wahlkampfzeiten zurück

In Lüneburg ist ein Stuhl frei, aber noch ist es ein Schleudersitz: Nachdem Ronny Kabus, ehemaliger Leiter des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg, im vergangenen Jahr der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ einige ehrliche Antworten auf einige brisante Fragen geliefert hatte, wurde er gefeuert. Vor der Bundestagskommission nämlich hatte er berichtet, dass Vertriebenen-Organisationen versuchten, in seine inhaltliche Arbeit hineinzufunken; diese dominieren den Museumsvorstand seines Hauses.

Insbesondere Stiftungsvorstand Wilhelm von Gottberg ging das zu weit – wegen „Illoyalität“ gegenüber seinem Arbeitgeber wurde Kabus vor die Tür gesetzt (taz berichtete). Danach schaukelten sie eine Weile hoch, die Wogen in die Politprovinz warfen. Landtagsabgeordnete, Bundestagsmitglieder und solche, die es werden wollen, sowie die Lokalprominenz – nahezu alle nahmen sie Partei für den Museumschef. Dem war es gelungen, das Museum während seiner Tätigkeit von einer misstrauisch beäugten Einrichtung zu einer angesehenen Kulturadresse umzumodeln.

Nach seinem wenig feinen Rausschmiss mangelte es deshalb nicht an Solidaritätsadressen, Konsequenzen wurden gefordert. Dies galt umso mehr, da Wilhelm von Gottberg, der Vorstandsvorsitzende des Museums, sich mit Imageproblemen herumschlägt: Er hatte den mittlerweile aus der CDU ausgeschlossenen Martin Hohman wegen seiner antisemitisch verstandenen Äußerungen öffentlich verteidigt.

Nicht nur die Landesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Brigitte Pothmer, sah von Gottberg deswegen am Rand des rechten Politspektrums beheimatet. Im Bestreben, nach den prekären Vorgängen um das Museum die Wiederholung eines Eklats zu vermeiden, ging die Politik scheinbar ans groß Reinemachen: Niedersachsens Kulturminister Lutz Stratmann (CDU) sah sich mit dem Bund, der sich mit dem Land die Finanzierung des Museums teilt, einig in dem Wunsch, die Stiftungssatzung zu ändern. Deren Ziel: Die Dominanz der Vertriebenen-Organisationen zurückzudrängen. Kulturstaatsministerin Christina Weiss in Berlin wollte nicht zurückstehen. Schon vorab sickerte durch, dass nach der neuen Satzung nicht mehr automatisch ein Vertreter der Ostpreußischen Landsmannschaft den Museumsvorstand stellen sollte.

Dann jedoch kam der Sommer und mit ihm das große Vergessen. In Berlin wartet man derzeit auf eine so genannte „Machbarkeitsstudie“, die klären soll, wie der räumlichen Enge des Museums abgeholfen werden soll. Und die Satzungsänderung? „Vorerst warten wir auf die Ergebnisse der Studie“, sagt Hagen Phillipp Wolff, Pressesprecher der Kulturstaatsministerin in Berlin.

Wozu auch drängeln? Erzwingen lässt sich die Satzungsänderung vom Bund nicht – und: Am 18. September sind Bundestagswahlen. Dass eine von der CDU dominierte Bundesregierung sich zum Anwalt der in der Affäre peinlich wirkenden Vertriebenenorganisationen machen könnte, befürchten viele. Ex-Museumschef Kabus: „Bereits 1989 hat die Politik die Unabhängigkeit der Museumsarbeit öffentlich zugesagt. Doch mein Bestreben, die Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu praktizieren, ist von der öffentlichen Hand in keiner Weise ausreichend unterstützt worden.“

elke schneefuß