taz.salon in hamburg
: Realitätsfern, rechtsradikal und bewaffnet

Vor knapp zwei Wochen stürmt eine Spezialeinheit der Polizei eine Wohnung in Hamburg-Rahlstedt. Die Polizisten beschlagnahmen Waffen und Munition von einem Mann und seiner Frau. Der 48-Jährige ist ein mutmaßlicher Anhänger der Reichsbürger-Bewegung. Er hatte die Aufmerksamkeit der Behörden durch eine E-Mail auf sich gezogen: Er erklärte, der Gemeinde Barsbüttel seinen Personalausweis zur Vernichtung zurückgeben und seine Waffen im Notfall gebrauchen zu wollen.

Die krude rechte Ideologie der Reichsbürger ist für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen. Sie halten die Bundesrepu­blik Deutschland für eine Firma und keinen legitimen Staat. Polizisten? Sind angeblich Knechte der alliierten Besatzungsmächte. Und deutsche Gesetze und Behörden? Müsse man nicht achten. Sie gründen Fantasiestaaten, drucken sich eigene Pässe und bringen mit ihrer Renitenz manche Gemeindeverwaltung zum Rotieren.

Ihre Szene reicht von selbst ernannten Druiden bis zu Polizeibeamten oder Anhängern der Anthroposophie. Ihnen gemeinsam sind die Sehnsucht nach dem untergegangenen Deutschen Reich, eine Vorliebe für Verschwörungstheorien und ausgeprägte Realitätsferne. Lange wurden sie als Spinner abgetan, von einigen Verfassungsschützern bis heute nicht ernst genommen. Erst im Herbst 2016 begann sich der Umgang der deutschen Sicherheitsbehörden mit den Reichsbürger zu ändern. Vor allem wegen eines Vorfalls im fränkischen Georgensmünd: Dort eröffnete ein Reichsbürger das Feuer auf Polizisten. Drei wurden verletzt, einer wurde getötet.

In seinem neuen Buch, „Reichsbürger – die unterschätzte Gefahr“ beleuchtet taz-Autor und Rechtsextremismusexperte Andreas Speit mit zehn KollegInnen diese Szene ausgiebig. Speit zeigt, wie wenig der Staat auf diese Bewegung vorbereitet war: Viele Reichsbürger haben sich Waffen als Sportschützen besorgt, ihnen wurde ganz offiziell ein Waffenschein erteilt. Mitautor Jan Rathje, der das Projekt „No World Order – Handeln gegen Verschwörungstheorien“ der Amadeu Antonio Stiftung leitet, erklärt in seinem Buchbeitrag, wie sich die Militanz der Reichsbürger dabei mit Antisemitismus paart, der für ihr Denken fundamental ist.

Im Rahmen des taz Salons werden Andreas Speit und Jan Rathje das Buch heute vorstellen. Die Moderation übernimmt taz-Redakteur Jean-Philipp Baeck.