EU verweigert Spanienpolitik

Europas Politiker sind erleichtert, dass Katalonien trotz des Referendums nun doch nicht seine Unabhängigkeit erklärt hat. Schließlich hat man in Brüssel derzeit schon mehr als genug mit dem Brexit zu tun und kann keine weitere Krise gebrauchen

Aus Brüssel Eric Bonse

Wer erwartete, dass sich EU-Kommission oder Ministerrat endlich in den Konflikt in Spanien einschalten und für Entspannung sorgen, hat sich getäuscht. Weder Kommissionschef Jean-Claude Juncker noch Ratspräsident Donald Tusk wollten sich am Mittwoch zur aufgeschobenen katalanischen Unabhängigkeitserklärung äußern.

Juncker ließ sogar Meldungen dementieren, dass er in den entscheidenden Stunden das Gespräch mit Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont gesucht habe. „FAKE NEWS. @JunckerEU not speaking to @KRLS“, twitterte eine Kommissionssprecherin. Es klang richtig empört.

Dabei kommt die Entscheidung, die Sezession zunächst nicht zu vollziehen, der EU entgegen. Noch am Dienstag hatte Tusk an Puigdemont appelliert, keine Entscheidung zu treffen, „die den Dialog unmöglich machen würde“. In Europa solle man immer schauen, „was uns vereint“, so der polnische EU-Politiker.

In Barcelona ist dieser Appell offenbar angekommen – aber wird er auch in Madrid erhört, willigt nun Regierungschef Mariano Rajoy in den Dialog ein? Auf diese Frage hatte man in Brüssel zunächst noch keine Antwort. Und solange diese nicht vorliegt, wollte man sich auch nicht äußern. Mehr als ein Appell zur „klaren Achtung der spanischen Verfassungsordnung“ war nicht drin.

Vor allem Juncker hatte bis zuletzt den Schulterschluss mit Rajoy gesucht. Auch die konservative Europäische Volkspartei (EVP) – zu der auch Angela Merkels CDU/CSU gehört – stützte den starrsinnigen Spanier.

Doch das könnte sich nun ändern. So forderte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok Neuwahlen in Spanien und damit auch in Katalonien. „Ich würde Neuwahlen als den geeigneten Weg ansehen“, sagte Brok im Südwestrundfunk (SWR). Möglicherweise werde Rajoy den Weg dafür schon an diesem Mittwoch frei machen. Einer Vermittlung durch die EU werde er aber sicher nicht zustimmen, so Brok.

Genau das sei jetzt aber gefragt, meinen Grüne und Linke im Europaparlament. Wenn die EU-Kommission schon nicht vermitteln wolle, so könne sie doch wenigstens dafür sorgen, dass die Streithähne endlich miteinander reden.

Allerdings gibt es auch Kritik am Vorgehen der Katalanen. Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer warf Puigdemont vor, mit gezinkten Karten zu spielen. Statt der offenen Konfrontation habe er „einen politischen Schwindel gewählt“, so Bütikofer. „Das ist der Trick eines Hasardeurs, der eigentlich mit seinem Latein am Ende ist.“ Die Gefahr einer Eskalation sei noch nicht gebannt.

Umso wichtiger wäre es, dass sich die EU einschalte, meinen viele Abgeordnete. Doch die wartet auf Rajoy. Denn noch gilt der Konflikt in Brüssel als rein innerspanische Angelegenheit. Erst wenn Rajoy offiziell um Vermittlung bitten sollte, könnte auch Juncker aktiv werden – endlich. Bisher übt sich der Chef der „politischen“ EU-Kommission vor allem in Politik-Verweigerung.