Geschichten aus dem Leben

In diesem Jahr widmen sich die Nordischen Filmtage in Lübeck der Sozialisation und Standortbestimmung von Menschen

Von Wilfried Hippen

Bei dem Nordischen Filmtagen ist es nichts Außergewöhnliches, wenn Vorstellungen schon morgens um 11 Uhr ausverkauft sind. Immerhin ist eines der ältesten Filmfestivals des Landes und für Lübeck wohl eine der wichtigsten kulturellen Veranstaltungen des Jahres. Auf dem Programm stehen 195 Filme an fünf Tagen, sie kommen aus Norddeutschland, Skandinavien oder dem Baltikum. Beim Spielfilmwettbewerb werden 18 Filme präsentiert, mehr als die Hälfte davon sind Regiedebüts.

Einer davon ist der Eröffnungsfilm „Dröm vitare/Träum weiter“ der schwedischen Filmemacherin Rojda Sekerzöz, der bereits auf dem Filmfestival Göteborg den Publikumspreis gewonnen hat. Er handelt von der jungen Mirja, die mit ihren Freundinnen aus dem tristen Stockholm nach Montevideo abhauen will. Um die Flugtickets zu bezahlen, plant sie einen Überfall. Doch ihre Mutter ist schwer krank –wer soll sich also um die kleine Schwester kümmern?

In diesem Jahr gibt es gleich mehrere Spielfilme, die „Coming of Age“-Geschichten junger Frauen erzählen. So ziehen in „Miami“ aus Finnland zwei Schwestern durch das Land, in Joachim Triers „Thelma“ aus Norwegen setzt die Liebe bei der Titelheldin übernatürliche Kräfte frei. Im dänischen Film „Darling“ muss eine jungen Balletttänzerin damit umzugehen lernen, dass aus ihrer Karriere wegen einer Krankheit nichts wird.

Iram Haq ist eine Filmemacherin aus Norwegen, die 2013 schon mit dem NDR-Filmpreis ausgezeichnet wurde und in diesem Jahr in „Was werden die Leute sagen“ von der 16-jährigen Nisha erzählt, die versucht, wie ein normaler Teenager zu leben. Doch als ihre Eltern sie mit einem jungen Mann erwischen, wird sie gegen ihren Willen nach Pakistan geschickt –zu einer strengen Tante. Dieser Film thematisiert auch Immigration und Integration, diesen Fragen ist in diesem Jahr auch die Retrospektive gewidmet.

Unter dem Titel „Mit fremden Augen“ hat der Kurator Jörg Schöning Dokumentar- und Spielfilme ausgewählt, in denen es um „die Ankunft des Südens im nordischen Kino“geht. Dieser Süden kann auch das Frankreich des 19. Jahrhunderts sein wie in dem dänischen Filmklassiker „Babettes Fest“, mit dem die Retrospektive am 1. November eröffnet wird. In den meisten Filmen geht es um die Einwandererwellen des 20. Jahrhunderts. So spielt Lauri Törhönens „Die Grenze“ aus dem Jahr 2007 zwischen russischen Emigranten, sowjetischen Funktionären und finnischer Nationalisten am Ende des ersten Weltkriegs. Im Norwegen der 50er-Jahre spielt „Mendel“, in dem ein jüdischer Junge aus Deutschland der traumatischen Vergangenheit seiner Eltern nachspürt.

Im Programm findet sich auch „Norwegens Antwort auf Martin Scoresese „Goodfellas“: In „Izzat – A Killer Thriller“ gründen drei junge Pakistani im Oslo der 80er-Jahre eine Mafia.

59. Nordische Filmtage Lübeck: 1. bis 5. November