Neuneinhalb Wochen, Teil 6
: Ein Kind im Irak

Susanne Gieffers, taz bremen-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert

Dies ist die Geschichte von Jim, dem Fotografen. Eine Geschichte, die mit Bremen, mit Deutschland nichts zu tun hat. In den USA jedoch sind Geschichten wie diese Alltag. Sie spielt in Minneapolis, aber das ist nur Zufall, sie könnte überall in diesem Land spielen.

Jim fährt in dieser Woche raus zum Friedhof von Shakopee, einem Vorort 40 Meilen außerhalb der Stadt. Hier liegt der erste Soldat aus Minnesota begraben, der im Irak getötet wurde. Er war gerade 20, als er starb, zwei Jahre ist das jetzt her. Vom Grab wurden Andenken gestohlen, die Familie ist entsetzt. Das ist die Story – und der Grund für Jim, hier zu sein. Er hält sich im Hintergrund, bittet um nichts, um keine Pose, beobachtet nur, wartet, fotografiert. Er ist geduldig und lässt die in der Präsentation ihrer Trauer schon etwas geübte Familie gewähren. Sein Apparat klickt.

Später dann, auf der Rückfahrt, erzählt er. Auch er hat einen Sohn im Irak. Arzt sei der, bei den Marines. Die Marines sind nicht etwa die Marine, auch wenn sie offiziell dazugehören. Sie sind Bodentruppen, immer die ersten, immer die, die die gefährlichsten Kriegsjobs übernehmen. Als der Sohn den Vertrag unterschrieb, hoffte er, er würde auf einem Schiff arbeiten. War aber nicht. Ob er dann nicht habe zurücktreten können? „Wenn du dich verpflichtest, verkaufst du denen deine Seele“, antwortet Jim.

Er hofft, dass sein Kind überlebt. „Auch psychisch“, meint er, „die wenigsten verkraften das, was sie da erleben.“ Jim hofft, dass die Arbeit, die sein Sohn im Irak verrichtet, ihm beim Überleben hilft. Menschen gesund machen in einem Land, in dem Tod und Gewalt alltäglich sind. Hat Jim nicht versucht, seinen Sohn von dessen Plänen abzubringen? Hat er. „Aber jeder entscheidet selbst, was er tut“, sagt Jim.

Er wird weiter zu Terminen wie diesem fahren. Das Grab anderer Leute Kind fotografieren, freundlich, zurückhaltend, professionell. „Was soll man machen“, sagt Jim und sieht aus dem Fenster auf das Präriegras, das sich im Fahrtwind wiegt, „man kann nur hoffen.“