Kaltes Grausen bei Hausmannskost

Beim Heimspiel von Hertha gegen den HSV agieren zwei angeschlagene Teams auf schwachem Niveau. Hertha siegt mit 2:1 dank biederem Otto-Rehhagel-Gedächtnisfußball

Noch etwas ungelenkes Abheben: Hertha bejubelt den zweiten Treffer gegen den HSV Foto: dpa/Heimken

Aus Berlin René Hamann

Vor dem Spiel waren sich beide Seiten einig: „Richtungweisend“ sollte es sein. Die angeschlagene Hertha nach bislang blamablem Europa-League-Auftritt und dem Pokal-Aus im Heimspiel gegen ebenso kriselnden Kölner – nun gegen den HSV, der seit Jahren in einer Dauerkrise steckt und nicht so wirklich da herauskommen will.

Besonders für die Hamburger blieb der Samstagnachmittag am Ende ein ärgerliches Erlebnis. Gegen eine gut gestaffelte Hertha war der HSV zwar das spielstärkere Team, konnte sich vor allem offensiv aber nicht entscheidend durchsetzen und musste sich nach zwei Standardtoren der bei Standards bekannt starken Berliner mit 1:2 (0:1) geschlagen geben.

Hertha BSC hingegen kann aufatmen. Sie stellte keinesfalls die bessere, die dominante Heimmannschaft, sondern verließ sich auf ein griffiges Mittelfeld – in das Verteidiger Nik­las Stark vorgezogen wurde – und auf ihre Stärken bei Standards. Zu Recht: Karim Rekik hatte nach vier Minuten die erste Chance per Kopf nach einem Eckball. Niklas Stark besorgte ebenso nach einer Ecke per Kopf den Führungstreffer (17. Minute), wieder Rekik zum psychologisch wichtigen Zeitpunkt kurz nach der Pause das vermeintlich vorentscheidende 2:0 (49. Minute). Erst als HSV-Trainer Markus Gisdol die enttäuschenden André Hahn und Albin Ekdal vom Platz nahm und durch die Jungspunde Tatsuya Ito und Jann-Fiete („Hans“) Arp ersetzte, wurden die im Auswärtspink angetretenen Hamburger gefährlich. Es war dann auch Arp, der in der 73. Minute für den verdienten Anschlusstreffer sorgte. Zu mehr reichte es für die Hamburger nicht.

Statt also auf die schwächelnden Berliner aufzuschließen, bleibt der HSV im Tabellenkeller hängen. Hertha ordnet sich hingegen im Mittelfeld ein. Ob es langfristig dabei bleibt, muss angesichts der genauso schwachen Offensive bezweifelt werden – das Spiel lief den Blau-Weißen mit dem frühen Führungstor natürlich gut rein. Vedad Ibisevic, der diesmal wieder den Vorzug gegenüber Davie Selke im Sturm erhielt, blieb genauso unsichtbar wie die Kollegen Salomon Kalou und Mitchell Weiser; die später entstandenen Konterchancen durch den eingewechselten Selke machte ein diesmal aufmerksamer Christian Mathenia im Hamburger Tor zunichte. Insgesamt spielten die Berliner mit zwei starken Sechsern, nämlich Stark und Per Skjelbred, pflegte über die Gesamtdistanz aber einen Otto-Rehhagel-Gedächtnisfußball, bei dem einem im zugigen Olympiastadion das kalte Grausen kam: zwei Tore nach Ecken, ein, zwei Konter nach dem 2:0, ansonsten biedere Hausmannskost.

Eine kreativere Mannschaft hätte unsichere Berliner problemlos zerlegt

Eine kreativ stärkere Mannschaft hätte die verunsicherten, aber sicherheitsorientierten Berliner problemlos auseinandergenommen. Doch der HSV hatte außer dem wagemutigen Filip Kostic nicht viel zu bieten – André Hahn stand nahezu komplett neben sich; Bobby Wood war zum wiederholten Mal ein Totalausfall. Dazu muss sich Trainer Gisdol erneut fragen lassen, ob er mit der richtigen Taktik angetreten war: Dreierkette mit nach hinten kippenden Außen, als ob Hertha hier zum Offensivfeuerwerk auflaufen könnte! Das war voriges Jahr. Die Realität bei der Hertha 17/18 sieht so aus: Noch drei Spiele in der Europa-Liga überstehen (am Donnerstag Rückspiel gegen Luhansk) und in der Bundesliga möglichst über dem Strich überwintern.

Beim HSV hingegen wird man sich weiter umschauen müssen. Auf der einen Seite ist erkennbar, dass Gefüge und Spirit im Team inzwischen stimmen. Auf der anderen bleibt die bittere Erkenntnis, dass gerade in den entscheidenden Spielen gegen genauso schwache Gegner unnötig viele Punkte liegen gelassen werden. Das war in Hannover und in Mainz so, gegen Werder und jetzt in Berlin. Acht sieglose Spiele stehen seit dem geglückten Start inzwischen zu Buche. Gisdol wird sich nach diesem Samstag immerhin sagen können, dass er herausgefunden hat, woran es liegt: Wer nicht mehr Tore schießt als der Gegner, kann nicht gewinnen.