Kernspalter im Sturm

MEILER „Sandy“ prallte mit voller Wucht auf die ältesten US-AKWs. Die Lage scheint unter Kontrolle

BERLIN taz | Es klang zuerst nach einer schrecklichen Wiederholung: Im US-Bundesstaat New Jersey ist in einem Atomkraftwerk am Montagabend automatisch Alarm ausgelöst worden. Oyster Creek ist der älteste noch betriebene Reaktor des Landes, seit 1969 am Netz, ein Siedewasserreaktor von General Electric in einem Mark-I-Sicherheitsbehälter. Es ist die gleiche Baureihe wie die in Fukushima havarierten Reaktoren.

Die US-Atomaufsicht NRC gab relativ schnell Entwarnung – der Alarm war ausgelöst worden, weil der Pegelstand im Kühlwasser-Reservoir gestiegen ist war. Dadurch könnten Pumpen überflutet oder Filteranlagen verstopft werden. Das Wasser werde schnell wieder abfließen, teilte die NRC mit. Das Kraftwerk war zwar wegen Wartungsarbeiten seit Montag vom Netz, trotzdem muss der Reaktor ständig gekühlt werden.

Die Nuklearaufsicht hatte dem Betreiber Exelon erst im Frühjahr 2012 eine Reihe zusätzlicher Sicherheitsauflagen gemacht. Zudem ist 2009 eine geringe Menge radioaktives Tritium ausgetreten, das in den nächsten Jahren ins Grundwasser gelangen könnte.

Betroffen ist auch der neuere Reaktor Salem 1. Dort führte möglicherweise ein bereits bekanntes Problem zum Ausfall von vier Pumpen aufgrund des Sturms. Die Nuklearaufsicht NRC stellte im vergangenen Jahr eine Problem bei der Entnahme von Kühlwasser aus der angrenzenden Bucht von Delaware fest, ohne eine Verbesserung anzumahnen. Das System verstopfte immer wieder mit Algen und anderen Pflanzenresten.

Aufgrund von „Sandy“ sind vier Pumpen ausgefallen, die Kühlwasser entnehmen sollten – allerdings nicht, um den Reaktorkern zu kühlen, sondern den Wasserdampf, nachdem Turbinen damit Strom erzeugt haben. Es handelt sich also nicht um den kritischsten Bereich. „Normalerweise müsste das Kraftwerk für solche Vorfälle ausgelegt sein“, schätzt Simone Mohr, Expertin für nukleare Sicherheit am Öko-Institut. Umweltschützer in den USA warnen allerdings, dass das Kraftwerk auf ständige Kühlwasserzufuhr aus dem Meer angewiesen ist, weil es keinen in sich geschlossenen Kühlkreislauf hat.

Ebenfalls Probleme hatte das Atomkraftwerk Indian Point, bei dem die externe Stromversorgung zusammengebrochen war. Dort mussten Generatoren einspringen. Die Nuklearaufsicht, die überall zusätzliche Teams vor Ort hatte, gab an, die Lage in allen Kraftwerken voll unter Kontrolle zu haben. INGO ARZT