Hoffnungsschimmer

Der HSV kann noch gewinnen – 3:1 gegen Aufsteiger VfB Stuttgart. Allerdings profitierten die Hamburger von einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Der Erkenntnisgewinn der Sieges ist daher eher gering

Von Daniel Jovanov

Die Statistik liest sich wie aus einer anderen Zeit: 20:3 Torschüsse, 68 Prozent Ballbesitz, 89 Prozent Passquote, Endstand 3:1. Und zwar für den Fußball-Bundesligisten Hamburger SV. Ein Sieg also für jenen Hamburger SV, der nach acht sieglosen Partien in Folge mal wieder mächtig unter Druck geraten war.

Rund um den Klub war bereits die Rede von einem Endspiel für Trainer Markus Gisdol. Ein weiteres Negativerlebnis hätte zur Trennung geführt, munkelte man vor der Partie gegen den VfB Stuttgart am Samstag vor heimischer Kulisse.

Eigentlich ist das nun keine Neuigkeit bei den Hamburgern, die sich schon seit Jahren nicht so recht aus ihrer sportlichen Krise befreien können. Der Unterschied zu früheren Zeiten liegt nun aber in der Art, mit der Krise umzugehen.

Dabei gehört Gisdol mit einem Schnitt von 1,2 Punkten pro Spiel zu den weniger erfolgreichen Trainern der HSV-Historie. Inzwischen ist die Bilanz sogar noch ein wenig schlechter als die seines Vorgängers Bruno Labbadia. Allerdings hält ihm das Hamburger Publikum zugute, zumindest viel auszuprobieren. Dreierkette, Fünferkette, Offensivpressing – es gibt wohl kaum eine taktische Variation, die der 47-Jährige noch nicht versucht hat. Kritiker mögen das als Zeichen der Unsicherheit deuten. Die Fans wollen darin etwas anderes erkennen: Variabilität. Eine Eigenschaft, die Vorgänger Labbadia fehlte.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die vielen taktischen und personellen Wechsel eine Folge von Verletzungen, Formkrisen und miserablen Ergebnissen sind. Ohne sie wäre das Publikum wohl erst deutlich später in den Genuss gekommen, die beiden Youngster Tatsuya Ito und Jann-Fiete Arp spielen zu sehen. Der ältere der beiden Spieler, Ito, ist 20 und ein Flügelspieler, der mit unnachahmlichen Dribblings und jeder Menge Dynamik das Spiel der Hamburger belebt. Der jüngere, Arp, ist erst 17 Jahre alt und Stürmer. Arp hat nun in zwei aufeinanderfolgenden Bundesliga­spielen für seinen Verein getroffen. Ebenso viele Tore gelangen Bobby Wood, dem Hoffnungsträger der vergangenen Saison, im gesamtem Kalenderjahr 2017.

Ebenfalls zur Wahrheit gehört, dass das 3:1 über den VfB Stuttgart von einer Fehleinschätzung des Schiedsrichters Guido Winkmann begünstigt wurde. Nach nur zwölf Minuten zeigte er Dzenis Burnic zu Unrecht die gelb-rote Karte. Selbst gegen den dauerkriselnden HSV ist es ziemlich schwer, auswärts in Unterzahl drei Punkte zu holen. Der Erkenntnisgewinn dieses Sieges ist also überschaubar gering. Gegen zehn Mann eines Aufsteigers reicht es. Reicht es aber auch für Mannschaften wie Schalke oder Hoffenheim? Vor allem: ohne gnädige Beihilfe eines Unparteiischen?

Für den Moment jedenfalls spielen diese Fragen eine untergeordnete Rolle. Wohin der Weg des HSV in dieser Saison führen wird, lässt sich nicht genau sagen. Klar ist nur, dass Ito und Arp fester Bestandteil sein werden. Mit ihrer Unbekümmertheit haben sie dem sonst so tristen Volksparkstadion ein Stück Hoffnung und Begeisterung zurückgebracht. Wahrscheinlich ist das langfristig gesehen sogar wichtiger als die drei Punkte gegen Stuttgart.