DNA wieder gefunden

Dank Trainer Michael Skibbe verteidigt das griechische Nationalteam wieder bestens. Im Play-off-Duell gegen Kroatien soll nun der große Coup, die WM-Qualifikation, gelingen

Zurück! Skibbe baut auf die Defensiv­qualitäten seines Teams Foto: imago

Von Andreas Morbach

Das Leben als griechischer Nationaltrainer kann sehr angenehm sein, Michael Skibbe bekommt das gerade zu spüren. Am Vormittag schwamm der 52-Jährige noch bei sich zu Hause im Athener Nobelvorort Glyfada im Meer, später feilte er dann im nahe gelegenen Trainingszentrum des Fußballverbandes in Agios Kosmas weiter an einem kleinen Coup. Am Donnerstag tritt Griechenland zum Hinspiel in den WM-Play-offs in Kroatien an. Zwei Jahre nachdem der Sensations-Europameister von 2004 zur Lachnummer des Kontinents verkommen war.

Tabellenletzter in der Qualifikation zur EM 2016 in Frankreich, unter anderem mit zwei Niederlagen gegen die Färöer, dabei drei Trainer verschlissen: Der Trainerjob am Fuße der Akropolis glich einem Himmelfahrtskommando, der auserwählte neue Trainer sah die Sache aber positiv. „Dass die Griechen zu dem Zeitpunkt so weit unten waren, wie man weiter unten nicht sein kann, hat die Aufgabe eher vereinfacht. Es konnte ja nur aufwärtsgehen“, sagt Skibbe im Gespräch mit der taz.

Als größtes Problem erwies sich das wacklige Miteinander. Der gebürtige Gelsenkirchener wurde gleich beim Premierenspiel damit konfrontiert, nach dem 0:1 in Luxemburg wütete der frühere Bundesligacoach: „Wer keine Lust auf Teamgeist hat, fliegt raus.“ Seit seinem Amtsantritt tauschte Skibbe fast die halbe Mannschaft aus, integrierte viele jüngere Spieler wie den Leverkusener Panagiotis Retsos (19) oder den – aktuell verletzten – Anastasios Donis (21) vom VfB Stuttgart.

Zum Prunkstück auf dem Weg in die Play-offs avancierte einmal mehr die Abwehr. Der Portugiese Fernando Santos, der die Hellenen 2014 ins WM-Achtelfinale führte, bezeichnete die Defensive mal als „die DNA der Griechen“. Schon Otto Rehhagel triumphierte bei der EM vor 13 Jahren mit einem Verteidigungsriegel – mit dem eigenwilligen Kollegen tauschte sich Skibbe daher über dessen Erfahrungen aus. Allerdings, betont er, erst einige Monate nach seinem Einstieg in Griechenland.

„Am Rande eines Spiels in Leverkusen sagte mir Otto Rehhagel, wie er den Verband damals vorgefunden, welche Dinge er umgestellt hat. Das habe ich in meine Überlegungen einfließen lassen“, erzählt der jetzige Coach der Hellenen, der nebenher die Nachwuchsarbeit im griechischen Fußball weiterentwickeln soll. „Ähnlich wie wir das ab 2000 in Deutschland gemacht haben“, erwähnt Skibbe, in einer Trainer-Doppelspitze mit Rudi Völler mit der DFB-Auswahl 2004 in der EM-Vorrunde kläglich gescheitert.

Bevor Skibbe kam, war das griechische Team am Boden. Gegen die Färöer verlor man zweimal

Die Torbilanz des griechischen Nationalteams in der WM-Qualifikation (17:6) spricht Bände – und aus seinem defen­si­ven Grundansatz macht Skibbe auch kein Hehl. „Wir haben eine Handvoll sehr guter Innenverteidiger, mit Konstantinos Mi­troglou aber nur einen einzigen international konkurrenzfähigen Stürmer. Für zusätzliche Ernüchterung sorgte die Zwangspause für Topver­teidiger Kon­stan­ti­nos Manolas vom AS Rom, dem die Fifa bei seiner Gelbsperre im vorletzten Qualifikationsspiel Vorsatz unterstellte und ihn nach dem finalen Gruppenspiel gegen Gibral­tar nun noch für eine zweite Partie, das Play-off-Hinspiel, sperrte.

„Was die Fifa gemacht hat, war nicht richtig. Vier Wochen später bestraft sie Manolas für etwas, was jeder Fußballer tut“, klagte Skibbe über die erschwerten Bedingungen gegen die favorisierten Kroaten, sagt aber zugleich: „Gegen bessere Gegner kommen wir oft eher an unser mannschaftliches Limit. Deshalb wäre es für mich auch keine absolute Megasensation, wenn wir es zur WM schaffen.“ Der griechische Fußball kann positive Schlagzeilen gut gebrauchen. Die Justiz erhob am Mittwoch Anklage gegen 28 Personen, die verdächtigt werden, Spiele in der ersten Liga manipuliert zu haben. Unter den Angeklagten sind der Präsident des griechischen Rekordmeisters Olympiakos Piräus, Evangelos Marinakis und der frühere Präsident des griechischen Fußballverbandes, Giorgos Sarris.

Im Falle eine WM-Qualifikation würde sich Skibbes Vertrag bis zur Endrunde im nächsten Jahr verlängern. Und wenn nicht? „Es kann sein, dass ich auch dann weitermache. Der Verband ist jedenfalls daran interessiert“, berichtet Michael Skibbe. Er schwärmt von seinem „guten, netten Trainerteam“ und genießt noch ein wenig sein aktuelles Lebensgefühl ins Griechenland: „Herrliches Wetter, tolles Land, tolle Menschen. Das macht Riesenspaß. Ich fühl mich sehr wohl hier – und würde in der Tat gerne ­bleiben.“