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: Wenn ein Kind mit der Liga spielt

Schützt der deutsche Fußball die Vereine oder die Investoren? Der Fall Hannover 96 gibt einen Hinweis

In Hannover kocht es derzeit gewaltig. Martin Kind, der Hörgerätehersteller, will den Klub Hannover 96 übernehmen, trotz 50+1, dieser investorenfeindlichen Regel. Eine taz.de-Recherche, basierend auf einem internen DFL-Papier, zeigt: Handelt die Deutsche Fußball-Liga nach ihren Leitlinien, wird Kind scheitern. Wie DFL und DFB den Fall 96 beurteilen, lässt eine Antwort auf die Frage zu, welche Interessen die Verbände tatsächlich schützen: die der Vereine oder die der Investoren? In Hannover glauben die organisierten Fans, die Antwort zu kennen. Aus Protest schweigen sie, gegen Kind, gegen den modernen Fußball.

50+1 bedeutet, dass immer der Stammverein die Stimmenmehrheit am ausgegliederten Profibetrieb halten muss. In Hannover bestimmt also zumindest formal der Hannoversche Sportverein von 1896 e. V., wie der ausgliederte Profifußballbetrieb – die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA – zu führen ist. Er hält ja die Stimmenmehrheit. Dagegen hat die Investorenseite, die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, die Kind anführt, theoretisch nix zu sagen. Obwohl sie 100 Prozent der Kapitalanteile an der KGaA besitzt. Irgendwie verrückt, aber so ist das im deutschen Fußball nun mal geregelt und gewollt. Den eingefleischten Fans, die sich häufig Ultras nennen, ist 50+1 hoch und heilig. Die Funktionäre drücken aber hier und da ein Auge zu, wenn es um Sanktionen für Teams geht, die gegen 50+1 verstoßen. Diesen Eindruck haben jedenfalls viele Ul­tras, vor allem jene in Hannover.

Das interne DFL-Papier beweist: So falsch liegen die Ultras wohl nicht, auch wenn sie vielleicht nicht wissen, warum. In dem Papier, es trägt den Namen „Rundschreiben Nr. 30 Recht DFL“, ist klar ausgeführt, welche Bedingungen ein Investor erfüllen muss, um von der 50+1-Regel aus­genommen zu werden. Nach taz-Recherchen erfüllt Martin Kind diese Bedingungen nicht.

Dazu muss man wissen, dass der Öffentlichkeit bisher nur die Satzung des DFB bekannt war. Da hieß es lediglich, dass ein Investor den Fußballsport des Muttervereins mindestens 20 Jahre lang ununterbrochen und erheblich gefördert haben müsse, um 50+1 auszuhebeln.

Just diese Begriffe – ununterbrochen und erheblich – konkretisiert das „Rundschreiben Nr. 30“, das am 12. Dezember 2014 per E-Mail an alle 36 Erst- und Zweitligisten versendet wurde. Nach taz-Recherchen hat Kind aber nicht erheblich gefördert. David Joram