14.000 D-Mark gefunden und 0 Euro behalten

Eine geflüchtete Familie kauft Bettwäsche bei der Tafel Holzminden und findet darin Geld. Die Organisation erhebt Anspruch, die Stadt prüft denFall

„Dass die Tafel sich nun an dem Fund bereichern will, ist sachlich nicht gerechtfertigt“

Von Adèle Cailleteau

Im Mai kaufte Tehan Abdullah Bettwäsche für zwei Euro bei der Holzmindener Tafel. Zuhause entdeckte sie beim Auspacken einen Bündel Scheine. Sie zählt: 14.000 D-Mark. Nach ein paar Tagen beschloss die geflüchtete kurdisch-syrische Familie, das Geld zurückzugeben. „Wir wollten ehrlich sein und keinen Ärger haben“ sagt Muhammad Hajji, Sohn der Finderin, zur Täglicher Anzeigen Holzminden. Mit seinem Lehrer von der Volkshochschule brachte er das Geld der Polizei, die es an das Fundbüro weiterleitete.

Rechtlich ist es so: Wenn sich der rechtmäßige Eigentümer innerhalb von sechs Monaten nach Anzeige des Funds nicht meldet oder nicht ausfindig gemacht werden kann, gehört der Schatz der Finderin – umgerechnet wären das etwa 7.160 Euro für Tehan Abdullah. Aber kurz vor dem Ablauf der Frist, erhebt die Tafel plötzlich Anspruch auf das Geld.

Warum hat sie sich erst jetzt gemeldet, obwohl sie seit Monaten weiß, dass so viel Geld in der bei ihr verkauften Wäschen steckte? Als gemeinnützige Einrichtung könne die Tafel nicht einfach auf das Geld verzichten, erklärt Bernward Horn, Vorsitzende der Holzmindener Tafel, gegenüber dem NDR. „Wir wollen uns nicht bereichern. Wir können nicht anders.“ Horn wäre es am liebsten, dass der rechtmäßige Eigentümer gefunden würde. Unternommen hatte er allerdings nichts: „Wir haben das nicht als unsere Sache gesehen.“ In diesem Fall hat sich auch niemand an die Öffentlichkeit gewandt, behauptet die Holzmindener Tageszeitung: Polizei, Stadt und Tafel haben die Geschichte für sich behalten.

Ob die Tafel einen Anspruch auf das Geld hat, ist noch nicht geklärt. Sie könnte tatsächlich als Zwischeneigentümerin anerkannt werden, erklärt Bernd Gill von der Stadt Holzminden. In diesem Fall würde die ehrliche Finderin nichts kriegen: Noch nicht mal den Finderlohn von drei Prozent, ungefähr 215 Euro. Gill sagt, man wolle „die Tafel dazu bewegen, doch eine Art Belohnung an die Familie zu zahlen“.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert hingegen das „zutiefst fragwürdige“ Vorgehen der Holzmindener Tafel. „Dass die Tafel sich nun – offenbar getrieben von der Stadt Holzminden – an dem Fund bereichern will, ist sachlich nicht gerechtfertigt“, sagt Geschäftsführer Kai Weber. Er erwartet, dass „die Finder das Geld behalten“ und würde die Familie bewegen wollen, „eine Spende an die Holzmindener Tafel zu tätigen.“