die dritte meinung
: Twitter gehört in den Plenarsaal, denn es belebt die politische Debattenkultur, sagt Frank Sitta

Frank Sitta

sitzt seit wenigen Wochen für die FDP im Bundestag und ist dort stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Er twittert unter@franksitta.

Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestags, hat das Twittern im Plenum für unerwünscht erklärt. Vermutlich hat er dafür dreierlei Gründe, die zunächst auch nachvollziehbar sind. Erstens: Viele Menschen empfinden es als unhöflich, wenn mitten im Gespräch die Konzentration nicht dem Gegenüber gilt, sondern dem eigenen Telefon. Zweitens kann keine Debatte zustande kommen – und das ist ja die Funktion des Plenums des Bundestags –, wenn die Person am Rednerpult Gegenargumente gar nicht wahrnehmen und deshalb auch nicht darauf reagieren kann. Bei einem Zwischenruf, wie qualifiziert oder unqualifiziert er auch sein mag, ist eine Reaktion unmittelbar möglich, bei einem Tweet nicht. Und drittens dürfte Herrn Schäuble nicht zuletzt der Tonfall stören, der in den sozialen Medien mitunter herrscht – und der im Parlament tatsächlich auch unangebracht ist.

Von ganz praktischen Fragen abgesehen, bedeutet ein Twitterverbot aber gleichzeitig auch einen Verlust der Debattenkultur. Ob man Twitter mag oder nicht: Es ist ein moderner viel genutzter Kommunikationskanal. Tweets sind direkt veröffentlichte O-Töne. Sie werden direkt kommentiert und oft auch journalistisch zitiert. Warum sollte sich ausgerechnet das Plenum des Bundestags, das regelmäßig die mangelnde Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bedauert, sich dieses Kanals berauben?

Wir sollten lieber darüber nachdenken, wie soziale Medien ein bereichernder Teil der parlamentarischen Kultur sein könnten. Ein Bildschirm am Rednerpult wäre womöglich keine gute Idee. Allerdings könnten etwa mündliche Kurzinterventionen Rednern die Möglichkeit zur Reaktion auf einen Tweet bieten und eine Stellungnahme im Plenarsaal einfordern.

Der Bundestag sollte sich selbst Regeln geben, mit denen parlamentarische Umgangsformen auch beim Nutzen sozialer Medien im Plenum gewahrt werden können. Twitter und Co. müssen der Debatte im Parlament nicht unbedingt schaden, sondern sie könnten sie im Gegenteil sogar beleben.