meinungsstark
:

Wat soll’s? So kann ich leewe

„Wer sich selbst eine Grube gräbt“, taz vom 18. 11. 17

Es ist eine Herausforderung, die Kohle endlich mal in der Erde zu belassen und nicht mehr unter Raubbau an der Natur sowie klimaschädlichen Emissionen in Energie zu verwandeln. Welche Schicksale an diesem Tagebau hängen, durfte ich von einem Freund aus Erkelenz-Holzweiler erfahren: RWE zahlt ihm als Baggerfahrer im Tagebau (Hilfsarbeiter) mehr, als er vorher als selbstständiger Fleischermeister verdient hat. So kann er nun seine vierköpfige Familie ernähren, vorher war es schwierig: „Ich mach hier ’nen Job für Doofe. Aber wat soll’s? So kann ich leewe.“

Bei den Jüchener Grünen lernte ich eine Garzweilerin kennen, die von RWE zwangsumgesiedelt wurde – und von Heimatverlust traumatisiert ist. „Was ist schon Neu-Garzweiler gegen mein Heimatdorf“, schluchzte meine Parteifreundin. Ich besichtigte diese Trabantensiedlung vor Jüchen – und verstand, dass die Umgesiedelte nicht weiter darüber reden wollte.

Schließlich spielte sich nur wenige Kilometer von meinem damaligen Wohnort Hochneukirch um 2006/2008 die Zerstörung des Dorfes Otzenrath ab. Ich erlebte mit, wie ein Dorf erst entvölkert wurde, dann wurden alle Gebäude gesprengt, inklusive der altehrwürdigen Dorfkirche. Als dann die Dorffläche plan war, rückte das riesige Schaufelrad des Tagebaus heran – und brach das Dorfgelände ab, bis auch nichts mehr daran erinnerte, dass hier einmal Menschen gewohnt hatten.

Bedrückte Grüße, Volker Windisch, Kaufbeuren

Chance für die Debattenkultur

betr.: „Neuland Minderheitsregierung“,

taz vom 22. 11. 2017

Sofern die SPD nicht ganz lebensmüde ist, bleibt sie bei ihrer Absage an die Große Koalition. Dagegen könnte sie tatsächlich Neuland betreten und sich für eine Minderheitsregierung bereit erklären, in der sie der Regierung eine dauerhafte Tolerierung zusagt; allerdings unter der Bedingung, dass die Minderheitsregierung ausschließt, mit der AfD zu verhandeln. Auf diese Weise könnte eine neue, bessere Debattenkultur entstehen, da die Regierung immer wieder um neue Mehrheiten werben muss, was der Demokratie zusätzlich einen Aufschwung verliehe.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Runder-Tisch Demokratie

betr: Regierungskoalitionen

Die Sondierungen haben gezeigt, dass es absolut schwierig ist, die konträren Vorstellungen und Ideen der beteiligten Parteien zusammenzubringen, ohne dass die einzelnen Parteien sich verleugnen und verbiegen müssen. Aber was nun?

Es geht immer nur darum, Kompromisse zu konstruieren unter der Federführerschaft der Kanzlerin oder des Kanzlers und der Parteien. Warum nicht die Situation nehmen, wie sie ist, und einen „Runden Tisch“ organisieren! Das wäre doch ein tolles Experiment (eigentlich gibt es in diesem Sinne schon langjährige praktische Erfahrungen damit in der Schweiz), wenn jetzt alle Parteien gemeinsam eine Regierung bilden und im Parlament frei – eben nicht nach Parteien-Gehorsam – abstimmen. Frei, nach bestem Wissen und Gewissen! Das wäre dann im Prinzip jedes Mal eine repräsentative Volksentscheidung im Parlament. Die stärkste Partei würde den oder die KanzlerIn stellen und nach zwei Jahren wechselt es zum Vize-Kanzler oder zur Vize-Kanzlerin. KanzlerIn und Minister würden vom Parlament gewählt. Die Besten würden dann in die Verantwortung kommen, dann hätte Parteien-Klüngel keine Macht mehr. Kein Fraktionszwang, das ist es, was eine frische erneuerte Demokratie dringend braucht. Das Andere ist lähmend bis zum Gehtnichtmehr! Die Parteien-Demokratie in der jetzigen Form muss überwunden werden. Die Parteien-Arbeit an der Basis würde hochinteressant werden. Man müsste nicht mehr auf Parteitagsbeschlüsse krampfhaft „Rücksicht“ nehmen, sondern dann wäre die individuelle Verantwortung gefragt.

Hans Supenkämper, Sulzburg/St. Ilgen