Das immanente Scheitern der Kulturindustrie

Schnittstelle Realität: Die Künstlergruppe „Galerie BRD“ versteht Kunst programmatisch. In Hamburg-Harburg setzt sie sich mit den Glücksversprechen der Freizeit auseinander

Filmstill aus „Freeroam Á Rebours, Mod#I.1“ von Stefan Panhans Foto: Courtesy Stefan Panhans

Von Radek Krolczyk

Von der Decke des Kunstvereins im Harburger Bahnhof hängt ein riesiger, flackernder Kranz. Er erinnert ein wenig an einen Sternenring, ein wenig auch an eine Dornenkrone. Beides in Raumgröße ein hartes Bild. Der Kranz selbst besteht aus gerundeten, schweren Stahlträgern. Das Flackern kommt von den daran montierten Flatscreens. Sechs Videoarbeiten und drei YouTube-Fundstücke führen auf unterschiedliche Weise das Scheitern der Kulturindustrie vor. Wir sehen Bilder einer chinesischen Freizeitparkruine, Gladiatorenkämpfe mit Roboterautos und Kinder in einem Technoclub. Das Scheitern eines ganz großen Versprechens ist oftmals ein immanentes Scheitern. Der Kollaps, den wir hier zu sehen bekommen, ist ein Kollaps im System.

Allein schon formal ist der Aufbau der Harburger Show der Künstlergruppe „Galerie BRD“ eine programmatische Ansage ans Publikum. Der Ring ist ebenso gewaltig, wie hermetisch. Programmatisch, wie die Zeilen, mit denen sie ihr zur Ausstellung verfasstes Pamphlet beenden: „Ende der Ohnmacht: Ende der Koketterie. Rückzug ist keine Option. Es gibt kein Außen. Banden bilden. Galerie BRD. Gerichtsstand ist Hamburg.“

„Galerie BRD“ ist so ein Name, der auf unterschiedliche Weise unzeitgemäß klingt. Von „BRD“ spricht seit der Wiedervereinigung kaum jemand mehr. Man nennt das neue staatliche Gebilde „Deutschland“. Der Name rekurriert bewusst auf eine Zeit, in der politische Kämpfe mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Unversöhnlichkeit geführt wurden – mit sozialistischen Staaten außerhalb und starken Gewerkschaften und der RAF im Inneren des Landes.

Die „BRD“ hat keine eigenen Räume. Die Ausstellungen finden in befreundeten Galerien und Kunstvereinen statt. Ihre Mitglieder leben in unterschiedlichen Städten wie Berlin, Hamburg und Köln. Das Selbstverständnis der Gruppe ist nicht ganz leicht zu fassen. Sie versteht sich weniger als Kollektiv, denn als freier Zusammenschluss von Künstlerinnen und Künstlern, die in erster Linie autonom agieren. Wobei die inhaltliche und künstlerische Arbeit höchst verbindlich und kontinuierlich zu sein scheint. Das kann man am Verlauf der vergangenen Ausstellungen sehen, die von Themen wie der Kreativität als ökonomischer Ressource oder der Ideologie der Selbstoptimierung handeln.

Pop, Kritik und Drastik

Die meisten Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe arbeiten mit Video, Sound und Fotografie. Medien also, die eine besondere Affinität gegenüber der realen Welt aufweisen, sie registrieren, übersetzen und analysieren. Die Texte der Gruppe erweisen sich dabei immer wieder als zentral. Dies gilt selbst dann, wenn die Bilder bereits dazu geeignet sind, die Welt gründlich auseinanderzunehmen.

Zur Gruppe gehören junge Künstlerinnen und Künstler wie Katja Aufleger oder Johannes Bendzulla. Aufleger ist mit ihrer Skulpturenserie „Bang!“ bekannt geworden. Sie hatte gläserne Behälter angefertigt, in deren getrennten Kammern sich farbige Flüssigkeiten befanden. Diese zu mischen hätte zu heftigen Explosionen geführt. Bendzulla beschäftigte sich in seinen digitalen Collagen mit der eigenen ökonomischen Verwertbarkeit. Er verwendet dazu Material aus der Kreativindustrie. In den Werken der BRDler kommen oftmals Momente von Alltagskultur, Pop, Kritik und Drastik vor.

„I‘m not here to make friends“ handelt von Glücksversprechen Foto: Frank Boston/ 123rf.com

Zu ihren Ausstellungen lädt die „BRD“ immer wieder externe Künstlerinnen und Künstler ein. Für die Harburger Schau, mit dem Titel „I’m not here to make friends“, wurde die finnische Video- und Performancekünstlerin Pilvi Takala ausgewählt. In ihrem Video „Real Snow White“ von 2009 sieht man die Künstlerin vor den Toren des Pariser Disneylands in einem Schneewittchenkostüm. Sie verteilt Autogramme an Kinder, bis das Wachpersonal auf sie aufmerksam wird. Sie, die mit ihrer Verkleidung das System des Freizeitparks überaffirmiert, wird als Bedrohung empfunden und des Platzes verwiesen. Das „echte“ Schneewittchen sei im Park, teilt man ihr mit. Es ist erstaunlich, dass selbst in einer inszenierten Welt, Authentizität ein so wichtiger Referenzpunkt bleibt. So wohnt man bei ihr einer kulturindustriellen Implosion bei.

Eingeladen zur Ausstellung wurde auch Dorit Margreiter. Von der Wiener Künstlerin ist das Video „Broken Sequence“ von 2013 zu sehen. Auch hier steht ein Vergnügungspark im Mittelpunkt – oder vielmehr eine Freizeitparkruine in der Nähe von Peking. Margreiter zeigt in blassem Licht eine triste Landschaft, in der vereinzelt Kassenhäuschen und Karussells herumstehen, die niemals in Betrieb genommen wurden. Was die Bilder aber auch erzählen, ist die alternative Gegenwart der Ruinenlandschaft: nämlich als Cruisingarea. So ist das kalkulierte Glücksversprechen eines Freizeitparks zunächst gescheitert, wurde jedoch durch eine unkontrollierte Entwicklung dann schließlich doch noch eingeholt.

Als Beitrag der „BRD“ zur Ausstellung wird eine Auswahl an YouTubevideos gezeigt, die von manisch betriebenen aber hoffnungslosen Freizeitbeschäftigungen handeln. So etwa der Zusammenschnitt „Robot War“. Man sieht in einer Arena selbstgebaute Kampffahrzeuge, die sich gegenseitig vernichten. Hinter einer Balustrade stehen bärtige, dickbäuchige Männer mit ihren Fernsteuerungen. Während man in der Arena den Robotern dabei zusieht, wie sie sich gegenseitig zu Schrott verwandeln, sieht man in den Gesichtern ihrer Herren den ganzen Ernst der Sache. Man ahnt: Ganz gleich ob sie den Kampf gewinnen oder verlieren, am Ende bleibt stets ein unerfülltes Versprechen.

„Galerie BRD“, bis 11. Februar Kunstverein Harburger Bahnhof, Hamburg