Vom Unglück

Auf der Suche nach dem Wir: Anne Habermehl hat ihr Stück „Outland“ in den Sophiensælen inszeniert

Von Katrin Bettina Müller

Bewegungsstörung. Die junge Frau, der die erste Episode in Anne Habermehls Stück „Outland“ gehört, ruckt mit den Armen in kleinen, harten Bewegungen, als gelte es, einen ständigen Widerstand wegzuschieben. Tatsächlich erlebt sie die Welt als Ungerechtigkeit, versteht nicht, warum sie entlassen wird, warum ihre Mutter ihr kein Geld mehr geben will. Hat sich aber auch schon eingemauert in ihrem Unverständnis. Es muss weh tun, innerlich so ständig gegen Wände zu rennen. Das signalisieren die kurzen Sätze, die Anna Habermehl ihr gegeben hat, und ihre auf Abwehr geschaltete Körpersprache.

Anne Habermehl hat „Outland“ selbst in den Sophiensælen inszeniert. In Dialogsätzen, die mit Worten geizen, um ja nicht zu viel Gefühl zu zeigen, und in kurzen Prosatexten erzählt sie weiter von einer Teenager-Liebe, von einer Mutter, deren Sohn sie verlassen hat, und von einem alten Mann, der sich abgeschoben fühlt. Die Inszenierung lässt die konkreten Situationen in dem fast leeren, großen Raum ganz aus dem Text entstehen und setzt die Schauspieler dabei über lange Strecken in eine Bewegung, wie in einer Prozession, die ins Rennen umkippt, umrunden sie dabei immer wieder die mit Federn bestreute Spielfläche. Den Gefühlen des Ausgegrenztseins und des Zurückgelassenwerdens, die sie fast alle bedrängen und den Raum ihrer Wahrnehmung zusammenpressen, wird damit eine andere Dynamik entgegengesetzt. Das macht die Inszenierung spannend, das Zuhören leicht.

Zudem spielen Anne Haug, Sabine Waibel, Ingo Tomi und Manfred Andrae gut. In ihren konkreten Geschichten streifen sie Themen, die für große Probleme stehen, wie die Abhängigkeit von Medikamenten, ethische Entscheidungen bei Hirntod, Orientierungssuchen im Glauben. Das rauscht manchmal etwas schnell und stichwortartig vorüber, lässt etwas grübelnd zurück, ob das als Analyse der Gesellschaft gemeint ist.

Besser funktioniert der Text immer dort, wo er nahe an den Personen bleibt, von ihren Wahrnehmungen, Fragen und Zweifeln erzählt. Ganz am Anfang, bevor es mit den Episoden losgeht, bilden die vier Schauspieler einen Chor, der lauter Ich-Sätze bildet, locker erst, wie gerade gefundene Erkenntnisse, schließlich böse zischend. Der Zwang zur ständigen Selbsterklärung, zum Polieren am eigenen Image, zur Optimierung des Selbst, er ist im Theater immer wieder eine großartige Vorlage. „Ich suche nach dem Wir, ich finde nur das Ich“, das ist am Ende ihre gemeinsame Klage, die das Stück dann in Episoden auflöst.

Wieder am 6. Dez., 20.30 Uhr, in den Sophiensælen