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PIRATEN Zwei Mitglieder des Bundesvorstandes werfen hin. Der Personalstreit ist damit nicht ausgeräumt. Der umstrittene politische Geschäftsführer klebt an seinem Amt

Durch die Personalquerelen geraten Inhalte einmal mehr in den Hintergrund

VON SEBASTIAN ERB

BERLIN taz | Die Piratenpartei ist in einer tiefen Personalkrise. Die heftigen Spannungen im Bundesvorstand forderten am Freitag erste Konsequenzen: Zwei Beisitzer aus dem Bundesvorstand geben auf. Julia Schramm trat mit sofortiger Wirkung zurück, Matthias Schrade will seine Vorstandsarbeit noch bis zum Bundesparteitag im November fortsetzen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Sebastian Nerz bedauert die Entscheidung seiner Kollegen, „auch wenn ich sie menschlich verstehen kann“.

Schramm begründete ihren Schritt damit, dass sie ihr Denken und Handeln jeden Tag stärker an „eine alte Politikervorstellung“ anpassen musste. Diese lehne sie aber ab. Schrade gab als Grund die Verwerfungen mit dem umstrittenen politischen Geschäftsführer Johannes Ponader an. Er habe den Schritt zum Rückzug lange hinausgezögert, schreibt Schrade in seinem Blog. „Aber ich halte es inzwischen schlicht nicht mehr aus.“ Die Situation im Bundesvorstand sei „durch Johannes’ Alleingänge zuletzt immer schwieriger geworden“. Schrade, der als Organisator von Parteiveranstaltungen vor allem im Hintergrund wirkt, will sich außerhalb des Vorstands weiter für die Piraten engagieren.

Ponader wird seit einiger Zeit von seinen Vorstandskollegen offen kritisiert. Es kam gar nicht gut an, dass er seinen Abschied vom Hartz-IV-Bezug inszenierte und persönliche Spenden für seinen Lebensunterhalt sammelte. In einer ausführlichen Stellungnahme auf die Rücktrittsankündigungen räumt Ponader Fehler ein. Selbst zurücktreten will er nicht, auch wenn ihm das von Piraten inner- und außerhalb des Vorstands nahegelegt wird.

Schramm stand zuletzt wegen ihres Buches „Klick mich. Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin“ in der Kritik, für das sie 100.000 Euro Vorschuss bekommen haben soll. Vielen Piraten missfiel, dass Schramms Verlag gegen die Online-Verbreitung von Buchkopien vorging. Sie sahen einen Widerspruch zur Parteiposition. In einem Shitstorm wurde Schramm etwa als „verlogene Kommerzschlampe“ beschimpft.

Die 27-Jährige musste überhaupt viel aushalten in ihrer Partei, wo sie als Frau und Feministin in der Minderheit ist. Sie machte sich auch angreifbar, weil sie online offen aus ihrem Privatleben plauderte, auch wenn sie keine absolute Verfechterin von „Post Privacy“ mehr ist. Nach der Kritik rund um ihr Buch hatte sie öffentliche Auftritte, die in jüngster Zeit geplant waren, abgesagt.

Durch die Personalquerelen geraten Inhalte einmal mehr in den Hintergrund. Am Freitag endete die Antragsfrist für den Bundesparteitag. Dort wollen die Piraten ihr Bundestagswahlprogramm verabschieden. In jüngsten Umfragen liegt die Partei bei um die 5 Prozent.