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: China sammelt Millionen Biodaten für die Polizei

Menschenrechtler: In der Grenzregion Xinjiang nehmen Überwachung und Repression der muslimischen Minderheit der Uiguren weiter zu. Die Spannungen wachsen

Das Neue

Chinas Behörden sammeln nach Angaben von Menschenrechtlern in der traditionell überwiegend von muslimischen Uiguren bewohnten Grenzregion Xinjiang systematisch biometrische Daten. Dabei würden unter anderem Augenscans, Fingerabdrücke und andere Biodaten von Millionen von Menschen erfasst. Dies geschehe mitunter bei freiwilligen Untersuchungen, berichtete Human Rights Watch (HRW) am Mittwoch. Es sei jedoch unklar, ob die Patienten wüssten, dass die Daten für die Polizei gesammelt würden. Die Speicherung der Biodaten, einschließlich der DNA, sei eine grobe Verletzung internationaler Menschenrechtsnormen. Die Informationen könnten zum Beispiel zur gezielten Überwachung von religiösen Minderheiten oder Regierungskritikern genutzt werden.

Der Kontext

Von den rund 22 Millionen Einwohnern des offiziell „Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang“ genannten Region gehören knapp die Hälfte den muslimischen Uiguren an. Sie sind ein turksprachiges Volk mit eigener kultureller und religiöser Identität. Nachdem viele Angehörige der Han-chinesischen Bevölkerungsmehrheit einwanderten, haben sich die Spannungen in der Region verstärkt. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu gewalttätigen Angriffen – etwa auf Polizeistationen. Nachdem islamistische Gruppen im Ausland ankündigten, ihren Einfluss auf China auszudehnen, nutzt die Führung in Peking diese Entwicklung dazu, alle zehn Millionen Uiguren in der Region als potenzielle Terroristen und Separatisten zu brandmarken.

Die Reaktionen

Das chinesische Internet ist streng kontrolliert, ausländische Journalisten können nur beschränkt und unter strikter Beobachtung aus Xinjiang berichten, Reaktionen aus der Region auf die jüngsten Vorwürfe HRW sind nicht bekannt.

Die Konsequenz

Je schärfer die Kontrollen und Verbote, desto stärker werden das Misstrauen und die Abwehr vieler Bewohner der Region gegen die Regierung in Peking. Dazu trägt auch bei, dass Uiguren in Xinjiang Kopftücher, Schleier und lange Bärte bereits seit dem vergangenen Frühjahr nicht mehr tragen dürfen, da sie – ebenso wie muslimische Hochzeits- und Beerdigungszeremonien – als „Zeichen eines religiösen Extremismus“ gedeutet werden. Eltern werden per Gesetz zudem verpflichtet, ihre Kinder an staatlichen Schulen anzumelden, muslimische Schulen sind damit nicht mehr erlaubt. Zugang zu den Moscheen erhalten Muslime erst ab dem 18. Lebensjahr.

Uigurischen Schülern, Studenten und Staatsangestellten ist das Fasten zum Ramadan untersagt. Im Februar hatte die Regierung angekündigt, sämtliche Autos per GPS-Sender zu überwachen. In einem Pilotprojekt müssen uigurische Bewohner von Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi zudem die Überwachungsapp „Jungwang“ auf ihren Mobiltelefonen installieren. Wer die App bei einer Stichprobe der Polizei nicht vorweisen kann, riskiert eine zehntägige Gefängnisstrafe. Felix Lee mit dpa