Tanzen auf der Mittelwelle

RADIO DJ Tim Sweeney begann seine DJ-Karriere im Highschoolradio. Inzwischen wird seine Sendung „Beats in Space“ von Fans auf der ganzen Welt geliebt. Am Samstagabend legt der New Yorker im Berghain auf

VON SOPHIE JUNG

Schon an der Highschool trat er im Schulradio als DJ auf. Er mischte dabei so gut, dass er kurzerhand eine eigene Sendung bekam. Tim Sweeney war gerade 18 Jahre alt, als er von Baltimore nach New York zog, um Musik zu studieren. Nebenher wurde er mit seiner Radioshow „Beats in Space“, die jeden Dienstag zwischen 22.30 Uhr und 1 Uhr nachts beim Collegesender WNYU ausgestrahlt wird, zu einem der begehrtesten DJs der Welt.

„Zu Beginn war die Sendung ein ganz kleines Ding auf der Mittelwellen-Frequenz. Von dem Sendestudio in der New York University aus drang ich höchstens bis zu den Studenten im Grundstudium aus dem nahegelegenen Wohnheim vor“, erzählt Sweeney. „Aber ich wollte so viele Leute wie möglich erreichen.“ Daher begann Sweeney bereits 1999, alle Sessions aufzunehmen und auf seine Homepage zu laden. Und bald hörten neben den Studenten auch Leute aus München und Berlin zu, die Sweeney zu seinen Sendungen Fanmails schrieben.

So wuchs „Beats in Space“, und Sweeney wechselte von der Mittelwelle auf UKW, und neben seinen eigenen DJ-Sets ließ er irgendwann auch regelmäßig Gäste in der Sendung auflegen. Mittlerweile hat er ein riesiges Archiv auf seiner Internetseite. Diese Woche lud er die 648. Session hoch. Im Laufe eines Jahrzehnts hat Sweeney „Beats in Space“ zur Kultmarke gemacht – mit der unstillbaren Neugierde eines musikbegeisterten Teenagers. Seine Multi-Style-Playlists verbinden Wave, Funk oder Krautrock mit einem warmen, treibenden House.

Ein bisschen Hartnäckigkeit brauchte Sweeney für seine Karriere aber schon. Als er in New York zufällig der HipHop-Legende Steinski (von Double Dee & Steinski „Lektionen 1, 2 & 3“) begegnete, lud er ihn kurzerhand als Gast in die Sendung ein. „Die DJs, die zu Anfang zu mir in die Sendung kamen, ahnten nicht, dass sie nur auf der Mittelwelle ausgestrahlt wurde.“ Steinski schienen Sweeneys Tricksereien nicht gestört zu haben, die beiden freundeten sich an und Sweeney erhielt Zugang zu dessen immenser Plattensammlung.

Bei der Auswahl seiner Tracks zeigt Sweeneys bis heute erlesenen Geschmack. Und das setzt sich bei den geladenen DJs fort. In den 13 Jahren von „Beats in Space“ waren Größen wie Carl Craig, Superpitcher oder Omar S dabei. Aber, wie es seine eigenen Playlists zeigen, lässt er regelmäßig jüngere, unbekanntere und abwegigere DJs an die Plattenteller. „Im Radio kann man mehr ausprobieren, da gelingt auch mal eine seltsame Rocksendung“, weiß Sweeney. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht die andere Seite mag, das Auflegen im Club zur Peaktime.“

Sweeneys Clubkarriere begann mit einer wöchentlichen Session in der Bar Plant im East Village, bald tingelte er auch durch größere Clubs in der Stadt. Mittlerweile legt Sweeney jedes Wochenende in einer anderen Stadt auf, darunter an Orten wie Tokio, London oder Berlin. „Ich mag es, wenn Musik auf der Tanzfläche richtig einschlägt. Das erzeugt aber auch ungeheuren Druck. Die Leute wollen Stimmung. Vor allem, wenn ich in Berlin auflege, ist das zu spüren. Hier leben so viele DJs und die Leute gehen mit extrem hohen Ansprüchen feiern.“ Trotzdem verfolgt Sweeney auch als Club-DJ seinen experimentellen Spürsinn. „Ich würde auf der Tanzfläche nie das Gleiche spielen wie im Radio. Ich versuche immer, in viele musikalische Richtungen zu gehen, offen zu bleiben und trotzdem die Stimmung zu treffen.“

Eine eklektische Mischung verfolgt Sweeney bislang auch mit seinem eigenen Label, das er seit 2011 unter dem Namen Beats in Space betreibt. Darauf veröffentlichte er Paradis aus Frankreich, der einen schönen, sanften Retro-Pop aus den Achtzigern mit House verbindet, den deutschen Minimalisten Philip Lauer und schließlich Secret Circuit aus Los Angeles, der mit seinen verrückten Elektrodelic-Funk bestens die US-Westküste vertritt.

Egal ob Radiosendung oder Party-Set, Tim Sweeney steht auf Ausgefallenes. Unter deepe House-Tracks mischt er etwa gerne afrikanische Tribalsounds oder türkischen Funk aus den Siebzigern. Einen genuinen New-York-Style sieht er in seinem Stil eher nicht. Trotzdem fließt die Stadt in seine Kunst ein: Jeden Dienstag vor der Sendung unternimmt Sweeney einen Streifzug durch die Plattenläden Brooklyns. „Wenn ich durch Greenwich Village laufe, wo sich auch das Radiostudio befindet, bemerke ich, dass meine Musik direkt mit diesen Orten verbunden ist.“

Und die New Yorker hören seiner Sendung inzwischen auch mit dem gebotenen Ernst zu. Mit dem für ihn charakteristischen Understatement sagt er: „Wahrscheinlich erledigen sie dabei gerade den Abwasch.“

■ Samstagnacht, Berghain. www.beatsinspace.net