Spätkauf: Das Beste zum Feste

Niemals mit leeren Händen dastehen: Stil- und Geschmacksvorlagen zum Endspurt im Holy Shopping von unseren Kulturredakteur*innen

Italiener haben die (west-)deutsche Küche revolutioniert und laden zum Nachkochen ein: Andrea Boscagli mit Familie und Team des Vini e Panini in München Foto: Juri Gottschall/ Verlag Antje Kunstmann

Champagner und Babyfotos gucken

Falls Sie Freunde haben, die kürzlich ein Kind bekommen haben, kaufen Sie irgendetwas – einen Babystrampler, eine Flasche Champagner, sehr gute Pralinen, irgendetwas – und besuchen Sie sie, auch gern über die Weihnachtstage.

Und dann sagen Sie den Satz: „Und habt ihr eigentlich Fotos oder vielleicht schon Videos von dem/der Kleinen gemacht?“ Wenn Sie es dann auch noch fertigbringen, neugierig zu gucken, wird dieser Besuch für die jungen Eltern das größte Geschenk sein. Denn Fotos und Handyvideos macht ein jeder von seinem Baby – aber wann hat man Gelegenheit, sie auch vorzuführen? Nie!

Eben. Sie brauchen nur noch den Eindruck für sich zu behalten, dass solche Fotos, außer für die Eltern selbst, sich oft gleichen, und Sie werden in strahlende Gesichter sehen, wenn die Eltern Ihnen stundenlang Bilder ihres Nachwuchses auf dem Handydisplay zeigen und dabei selbst ganz rührselig werden: „Guck mal, wie klein sie/er da noch war …“

Falls Sie sich dazu für einen Champagner entscheiden: Der „Blanc de Blancs“ brut von Veuve Fourny & Fils (in ausgesuchten Weinläden und www.champagne-veuve-fourny.com) ist zum Beispiel sehr gut, man bekommt ihn schon ab etwa 30 Euro. Sie werden von dem Babybesuch beschwingt nach Hause gehen, im schönen Gefühl, zwei Menschen eine wirkliche Freude gemacht zu haben. Und falls Sie keine jungen Eltern im Bekanntenkreis haben: Der Champagner schmeckt auch so. Dirk Knipphals

Cucina povera

Einkaufen, kochen, essen: Wie es einfach und gut zugleich geht, kann man bei Andrea Boscagli erfahren. 1983 eröffnete er in München das „vini e panini“. Als Laden und Restaurant ist es seither ein echter Vorreiter italienischer Lebensart und Küche in Deutschland. Und hat sich dabei Charme und Haltung seiner Anfangstage bewahrt. Boscagli kam 1981 nach München, da waren weder Spaghettis noch gutes Olivenöl in den Supermärkten selbstverständlich. In „Semplice! Meine einfache italienische Küche“ (Kunstmann Verlag, München, 28 Euro) erzählt der aus Siena stammende Boscaglia, wie er bei seiner bäuerlichen Großmutter in der Küche lernte und später half, Bayern zu aromatisieren. Das Prinzip seiner „cucina povera“: „Wenn Du ein gutes Produkt hast, hast Du ein gutes Essen – mach aus wenig viel“. Boscaglia fuhr in den 1980ern mit seinem VW-Käfer von München über die Alpen nach Italien und schaffte Lebensmittel von kleinen bäuerlichen Betrieben aus der Toskana heran: Salamis, Artischocken, Olivenöl, Käse, Tomaten, Kräuter oder Wein. Irgendwann kam eine große alte Pastamaschine mit, die „bis heute im Laden steht und treu ihre Dienste tut“. Was zunächst exotisch wirkte, ist jetzt selbstverständlicher Teil einer genussfreudigeren Alltagskultur. Zu ihrer weiteren Verbreitung trägt Boscagli nun über München hinaus mit dem Kochbuch „Semplice!“ (dt.: „Einfach!“) bei. „Die Sterneküche ist der Himmel, ich lebe auf der Erde.“

Andreas Fanizadeh

Die Hände der Köchin

Dies ist ein Geschenk für alle, die ihre Küche lieben, gerne Saucen rühren, marinieren, sich beim Zwiebelnwürfeln und Knoblauchhacken schon auf ihre Gäste freuen, vom Kochwein einen Schluck auf den Weg nehmen, weiter­wirbeln.

Um dann womöglich, am nächsten Morgen unter der Dusche, in Gedanken nachzukosten, wie es allen geschmeckt hat, sich mit der Hand durchs Gesicht zu fahren – und igitt, aber dass die Finger jetzt immer noch nach Zwiebeln und Knoblauch riechen, ist weniger schön. Da schafft Abhilfe ein kleiner Gegenstand aus Edelstahl, Gourmet Anti-Geruchsseife genannt. Reibt man die Hände unter Wasser an dem eiförmigen Metallstück, verliert die Haut den Geruch. Ohne chemische Zusatzstoffe, hat mit Sauerstoff und Oxidation zu tun. Gibt es von WMF oder auch Zwilling. Und man kann spaßeshalber erst mal erraten lassen, wozu dies Ei taugt. Katrin Bettina Müller

RushHour

Verkehrsinfarkt, Stoßzeit, Parkplatznot. Mobilität in unserer Zeit wird stets flankiert von Nebeneffekten, die das Ungesunde, die Ellbogenmentalität oder den eklatanten Mangel an kostbarem Gut befördern. Wer etwas schnell transportieren oder bequem von A nach B gelangen möchte, muss dafür Hindernisse überwinden. Während auf den Nah- und Fernstraßen speziell zu Ferienzeiten der permanente Ausnahmezustand herrscht, löst das sensationell spannende, aber auch verblüffend simple Spiel „RushHour“ dieses alltägliche Problem spielerisch. Und es ist so handlich, dass es ins Handgepäck passt, um etwa lange Zugreisen zu verkürzen.

In einem quadratischen Feld belegen bis zu 16 verschiedenfarbige kleine und große Fahrzeuge Spuren und Plätze. Es gibt nur eine Ausfahrt, alle wollen möglichst schnell zu ihr hinaus. Ziel ist, dass das rote Auto als erstes ausfädelt. In immer neuen Versuchsanordnungen werden die Fahrzeuge auf ihren Spuren verschoben, vorwärts und rückwärts versetzt und umgeparkt. Im echten Leben wird dabei gehupt und gezetert, bei „Rushhour“ wird zwar manchmal das Gehirn abgewürgt, weil es das Fahrzeug-Wirrwarr nicht durchsteigt, Leerlauf gibt es keinen, sondern immer kreative Lösungen, die die SpielerInnen gemeinsam ersinnen, – sie können von der Anleitung abweichen. „Rushhour“ (ThinkFun, ca. 15 Euro, für Kinder ab 6 geeignet). Julian Weber

Shoulder Pad Queens and Kings

Vergessen Sie Joan Collins. Falsches Rolemodel. Denken Sie an Grace Jones oder geben Sie Folgendes in Ihre Suchmaschine ein: „Balenciaga Trenchcoat 2017 Schulterpolster“. Was Sie sehen, ist eine Offenbarung. Wenn Sie danach immer noch an Joan Collins denken, gehen Sie weiter zum nächsten Geschenktipp, Sie sind dann einfach nicht die richtige Ansprechpartner*in.

Wenn Sie noch hier sind: Ich weiß nicht, ob man ein Kind der 80er sein muss oder nicht, um diese Ausformung der Schulterpartie so cool zu finden, ich frage mich das immer wieder. Eigentlich denke ich, es ist andersherum und ich finde die 80er nur cool wegen der Schulterpolster. Wie auch immer. Keine Silhouette ist so glamourös, so sophisticated, so genderbending wie die mit breiten Schultern. Schluss mit Normcore, die Zukunft wird unnahbar exzentrisch, gehen Sie voran, verschenken Sie Schulterpolster. Tania Martini

Fest der Liebe ohne Stress

Dass die Weihnachtstage für viele Menschen mit Angst und Schrecken verbunden sind, hat einerseits mit dem geschäftigen Rummel im Vorfeld zu tun. Bekanntes Phänomen, bedarf keiner weiteren Worte.

Man kann diese Begleiterscheinungen andererseits aber durchaus auch auf den christlichen Charakter der Angelegenheit zurückführen. Das Fest der Liebe, so eine verbreitete leidvolle Erfahrung, verwandelt sich unter seinem ureigensten Vorzeichen gern schon mal in eine Zwangsveranstaltung unter dem Imperativ der Liebe, mit allen möglichen zu erwartenden oder unerwarteten Folgen, meistens unerwünschten.

Dem lässt sich auf verschiedenste Art entgegenwirken, sogar mit Geschenken, sprich Konsum: Eine der günstigsten Interventionen ist ein Antistressball, die heutige Variante des Loriot’schen „Familienbenutzers“. Im Kreise der angespannten Lieben hilft das beim Abbau von erwartungshaltungsbedingten Verkrampfungen und trägt idealerweise zum heiteren Miteinander bei.

Wenn man auf einer anlassgerechten Variante bestehen sollte, ist so ein Polyurethanschaumknautschobjekt auch in Gestalt eines kugeligen Weihnachtsmanns erhältlich. Vorausgesetzt, man verletzt damit nicht die Gefühle derer, die nicht an ihn glauben – oder an ihn glauben.

Tim Caspar Boehme

Modisch gesprochen sind Schultern das Ding der Stunde. (Neben der „Fun pack“ genannten Gürteltasche, die gerade ein unglaubliches Comeback feiert). Will man sie nicht in letzter Minute in Form üppiger Schulterpolster verschenken, wie es die Kollegin Martini empfiehlt, kann man auch einen Gutschein gestalten. Für Gratisstunden in einem Fitnessstudio der Wahl, in dem der oder die Beschenkte, sich seine/ihre Schulterpolster antrainieren kann.

Obwohl ich in ästhetischer Hinsicht gewöhnlich fürs Künstliche plädiere, spricht doch einiges für natürliche, muskulöse Schulterpolster. Sport an sich tut gut und Muskelaufbau ist besonders wichtig, weil Muskelmasse und Hirnleistung in direktem Zusammenhang stehen, wie inzwischen wissenschaftlich belegt ist. Ich empfehle Training mit Elektro-Muskel-Stimulation, das verkürzt die Zeit und erhöht den Spaß. Ich trainiere in einen Studio in der Charlottenstraße in Berlin. Und muss dort immer daran denken, dass ich über Friedrich August Ludwig von der Marwitz, den Vorfahren des Studiobosses, eine Seminararbeit im Geschichtsstudium geschrieben habe. Brigitte Werneburg

Wohnzimmerlesung

Nach Wohnzimmerkonzerten und Theatervorstellungen in den eigenen vier Wänden kommen nun Wohnzimmerlesungen. Und auch noch für einen guten Zweck! Wer Lesungen der SchriftstellerInnen Lisa-Marie Dickreiter, Maria Knissel, Kathrin Lange, Ursula Poznanski, Maike Stein, Antje Wagner oder Andreas Wilhelm in seinem Zuhause haben möchte, kann sich bis Weihnachten noch bei http://www.autorenhelfen.org/verschenke-eine-wohnzimmerlesung eine Lesung buchen. Oder einen Gutschein für eine Lesung an literaturbegeisterte Tanten, Onkel, Eltern, Freunde oder Kinder unter den Weihnachtsbaum legen! Die Einnahmen der Wohnzimmerlesungen gehen an die Organisation DocMobile Medical Help e. V. in Hamburg (Mindestspende für Privatpersonen 100 Euro, kommerzielle Lesungen mehr).

Termine gibt es aber erst ab 2018. Die Lesungen können deutschlandweit gebucht werden, je nach Wohnort der AutorInnen. Auf der Internetseite gibt es eine Liste der Städte und Regionen, sogar in Wien kann man sich Literatur ins Haus holen. Die AutorInnen haben alle Genres im Angebot: Fantasy, Thriller, Romane, historische Romane und Jugend- und Kinderbücher. Sie lesen alle ehrenamtlich und helfen damit der Ärzteorganisation DocMobile in Bangladesch und Griechenland Flüchtlinge medizinisch zu betreuen.

Elke Eckert

Zum Lichte empor

Man kann viel kaufen, wenn man viel kaufen kann. Aber selbst wenn man kann – will und soll man überhaupt?

Ich hatte mir vorgenommen, die Familie zu animieren, unterm Weihnachtsbaum ein Lied für Deniz Yücel und alle anderen Eingesperrten zu singen. Und heute Morgen dachte ich, das könnte ich auch Ihnen als Weihnachtsaktivität vorschlagen. Wenn viele gleichzeitig unterm Baum sängen, wäre es ein lauter und stiller Flashmob zugleich.

Ich schlage vor, Heiligabend, vielleicht so gegen sechs oder sieben, „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ zu singen. In der Fassung der Vorwärts-Liederfreunde, Singegruppe der deutschen Sozialdemokratie. Der Text geht so:

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, / Schwestern, zum Lichte empor! / Hell aus dem dunklen Vergang ’nen, / leuchtet die Zukunft hervor. / Wieder mal möchte ein Führer, / für sich die totale Macht. / Doch dann gibt es nur Verlierer: / Freiheit und Recht – gute Nacht. / Brüder, in eins nun die Hände, / Schwestern, auch ihr seid dabei. / Freiheit für alle Journalisten, / lasst Deniz Yücel jetzt frei!

Die Zeile mit dem Führer gefällt mir nicht, das ist ein etwas unguter Vergleich. Aber den Rest finde ich wunderbar und weihnachtlich. Das Lied erzählt uns, ob Gläubigen oder Agnostikern, vom Licht, das demnächst in der Welt aufgehen wird, auch wenn es vorerst nur in den Menschen leuchtet. Ulrich Gutmair