Die Rückkehr der Rennbahn-Cowboys

Beim 1. Internationalen Sandbahnrennen in Karlshorst rasten die Hengste des Speedway um die Wette. „Keine Bremsen, keine Angst“ lautet das Motto des Events. Es war das erste Rennen dieser Art seit 50 Jahren auf der Trabrennbahn tief im Osten

Die Speedway-Familie ist klein. Man kennt sich. Ein Autogramm gibt’s im Vorbeigehen

VON CHRISTO FÖRSTER

Sie sind zurück: 50 Jahre nach dem letzten Speedway-Rennen auf der Trabrennbahn Karlshorst knatterten am Samstag wieder Motorräder durch das altehrwürdige Oval tief im Berliner Osten. Wo sonst Pferde ihre Runden drehen, gaben sich diesmal die Hengste des Speedway die Ehre. „Keine Bremsen. Keine Angst. Keine Kompromisse“ lautete der Untertitel des Events.

Die puristischen Maschinen, die nicht viel mehr sind als Motoren auf Rädern, kommen ohne großen Schnickschnack daher. Bremsen? Überflüssig. „Stahlschuhcowboys“ nennen sich die Fahrer. In Karlshorst wird klar, warum: Motorsportfreaks und verhinderte Westernhelden stellen den Großteil des Publikums.

In der untergehenden Abendsonne fiedelt eine Country-Band Evergreens, es riecht nach Bier, Schweiß und verbranntem Methanol. Ein markiger Zopfträger sucht am Fanshop nach Aufklebern mit ebenso markigen Sprüchen, findet „Lieber durch die Hölle fahren, als zum Teufel gehen“, schlurft dann aber doch mit leeren Händen von dannen. Schließlich prangt die ultimative Erkenntnis schon auf seiner Lederjacke: „Schade, dass man Bier nicht ficken kann.“

Etwas weiter können alle Möchtegern-Cowboys in einem kleinen Plastikzelt ein paar Dollar auf ihre Pferde setzen. Viel ist nicht los an den Schaltern. Das mag daran liegen, dass den Motorsportfans die Wettkultur einer Trabrennbahn nicht zusagt, oder doch einfach an Peter Hartz.

Das Fahrerlager neben der Tribüne hat den Charme eines Campingplatzes. In den Vorzelten der Transporter basteln Fahrer und Mechaniker an den Rennmaschinen. An den mitgebrachten Klapptischen entspannt sich der Anhang. Die Speedway-Familie ist klein. Man kennt sich. Wer ein Autogramm seines Idols will, der schaut einfach vorbei.

Die meisten Hobby-Knipser lungern am Vorzelt von Nynke de Jong. Die blonde Holländerin fährt nicht nur regelmäßig auf die vorderen Plätze, sie ist auch der Hingucker eines jeden Events. Ein Glücksfall für das Speedway mit seinen vor Männlichkeit strotzenden Fans. „Die Amazone“, nennt sie der Stadionsprecher.

Rund 4.000 Zuschauer sind gekommen. Gerd Sievers, Organisator des Rennens, ist zufrieden, auch wenn die Kapazität der Trabrennbahn eigentlich deutlich höher ist. „Bei der ersten Veranstaltung kommt es gar nicht so sehr auf die Wirtschaftlichkeit an, sondern darauf, ob die Berliner generell für Speedway zu begeistern sind. Und den Eindruck habe ich schon“, sagt Sievers.

Die Urberlinerin, die mit ihrem Mann gleich auf der ersten Bank, ganz nah an den lärmenden Rennmaschinen sitzt, bestätigt Sievers’ Eindruck. Nachdem sie tief an der Zigarette gezogen und kurz an der Flasche genippt hat, röhrt sie, als trinke sie Motorenöl pur: „Ich bin das erste Mal beim Speedway, und es ist einfach nur geil.“ Klare Aussage.

Sieger des Abends wurde übrigens Gerd Riss aus Bad Wurzach. Ihm gelang die Revanche gegen den Allgäuer Robert Barth, der ihn noch vor einer Woche bei der Weltmeisterschaft in Frankreich auf den zweiten Platz verwiesen hatte. Nebensache. Was zählte, war die Atmosphäre. Der Kerl, der gerne Sex mit seinem Bier hätte, ging nach Ende des Rennens noch mal an den Getränkestand und gab eine Bestellung auf: „Cola, bitte.“