heute in bremerhaven
: „Oft entstehen ganz irre Dinge“

Foto: privat

Benno Schirrmeister, Jg. 1972, Literaturwissenschaftler, ist seit 2002 Reporter und Redakteur der taz nord in Bremen.

Interview Jean-Philipp Baeck

taz: Herr Schirrmeister, Musik gilt manchmal als „universell“. Ist das voreilig?

Benno Schirrmeister: Musik hat keine konzeptuelle sprachgebundene Botschaft und kann dadurch universell wahrgenommen werden und Gemeinschaft schaffen – aber ebenso Abgrenzung. Musik kann sogar quälen, wenn man sie nicht mag.

Eignet sich Musik besonders für kulturellen Austausch und Zusammenarbeit?

Sie ist dafür geeignet. Spannend ist, dass dies aber kein Selbstläufer ist und dies zu Verwerfungen führen kann. Als etwa in den USA die westliche Musik implementiert wird, ist es auch ein großer Prozess der Verdrängung.

Was wurde verdrängt?

Die Musik der First Americans war für die Europäer zunächst interessant, aber schließlich findet eine einseitige Instruktion statt. Das war nicht per se boshaft. Die First Americans hatten selbst ein großes Interesse an der europäischen Musik. Der Mohikaner Joshua Junior etwa hat Spinett spielen gelernt und später selbst eines gebaut, wurde allerdings sowohl von den Missionaren angefeindet, als sie von ihm traditionelle Trauerlieder hörten, wie später von den Anhängern Tecumsehs hingerichtet, weil er als Verräter an der indianischen Sache galt.

Sie widmen sich in Ihrem Vortrag besonders dem Musikinstrumentenbau. Wieso?

In Instrumenten lassen sich verschiedene Einflüsse wiederfinden, sie können von einer Kultur in die andere mitgenommen und verschoben werden. Man kann auf Kirchenorgeln Rockmusik machen, bei Musikstücken geht das nicht so einfach. Im Instrumentenbau lässt sich die Produktivität von Transkulturation am ehesten ahnen.

Vortrag:„… auf ein schönes Instrument wird auch viel gesehen“,

18.30 Uhr,

Deutsches Auswanderer-Haus,

Columbusstr. 65,

Bremerhaven

Was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Transkulturation ist der positive Gegenbegriff zur Akkulturation, der Anpassung, und zielt auf die Chancen von Begegnungen unterschiedlicher Kulturen ab. Die können zwar auch brutal sein, aber oft entstehen ganz irre Dinge, etwa auch neue Musikinstrumente.

Zum Beispiel?

Die Hawaii-Gitarre hat zum Beispiel eine besondere Geschichte. Auf den Inseln gab es traditionell keine Gitarren, sie wurden importiert. Der Hawaiianer Joseph Kekuku entwickelte dann ein besonderes Glissando: Das ist für uns heute der Klang Hawaiis. Der aus Norwegen eingewanderte Gitarrenbauer Johann Christian Kammen macht daraus dann ein eigenes Instrument. In Serie produzieren wird sie dann der aus Hannover nach New York ausgewanderte Instrumentenmacher Hermann Weißenborn.