Hohe Flügel, die selten hingen

Obwohl Hannovers Trainer Ewald Lienen zum Saisonstart beinahe eine ganzes Fußballteam ersetzen muss, legt 96 einen positiven Saisonstart hin

Ein Platz im Niemandsland der Tabelle ist für die Niedersachsen sicher realistisch. Und keineswegs schlimm; denn das entspricht der sportlichen Leistungsfähigkeit. Doch die unzähligen Geschäftsführer wollen an die Fleischtöpfe des internationalen Fußballs. Was die 96-Spieler mit einem 2:0 gegen Frankfurt unterstrichen.

Der hessische Abstiegkombatant kam nach drei Unentschieden in Folge gerade Recht. „Wir wissen, dass wir um den Klassenverbleib kämpfen. Andere Mannschaften vielleicht noch nicht“, hofft Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel. Diese unterschiedlichen Zielvorstellungen zeigten sie sich nach einer anfänglichen Phase des offenen Schlagabtausches. Hannover gewann insgesamt verdient, spielte abgebrühter, cleverer und zeigte den planvolleren und gewollten Drang nach vorn. „Vor den schweren Spielen gegen Bayern, Wolfsburg und Schalke ist ein kleines Punktepolster sehr angenehm“, freute sich der neue 96-Clubchef Götz von Fromberg über den ersten Saisonsieg als perfektes Einstandsgeschenk. Im blauen Hemd und Freizeitlook verfolgte der Vorstandsvorsitzende das erste Match in seiner Amtszeit und lobte vor allem Jiri Stajner: „Er wandelt immer zwischen Genie und Wahnsinn, aber diesmal hat er bärenstark gespielt.“

In den ersten zehn Minuten der Begegnung versuchten beide Mannschaften, ihre Kettenformationen mit Leben zu füllen. Hannover wählte die 4-4-2 Formation und reicherte die Interpretation dieses Systems nach Auskunft von Trainer Ewald Lienen mit hohen Flügeln an, die selten hingen.

Die Eintracht suchte ihr Heil mit einer Spitze im Konterspiel. Nach einer Chance von Frankfurts Koreaner Du-Ri Cha in der Anfangsphase wachten die Niedersachsen auf und durchbrachen die gegnerischen Verteidigungslinien. Wach war ab der 13. Spielminute auch ein Ordner, der einen von Alexander Meier für Frankfurt verzogenen Freistoß an den Hinterkopf bekam, aber ohne merklich zu wanken seinen Dienst tat. In der Folge gewannen die Hannoveraner zunehmend Spielanteile. Mit Erfolg: Jiri Stajner spitzelte in der 32. Minute ein halbhohes Zuspiel des Iraners Vahid Hashemian ins Tor.

96-Coach Lienen hat aus der Verletzungsnot eine Tugend gemacht. Ein Spieler wie Stajner blüht in dieser Saison förmlich auf. Mangels Alternativen ist er in jeder Partie dabei. „Ich spiele regelmäßig und das ist gut für mich“, sagte der Tscheche.

Der wankelmütige Mittelfeldspieler war es dann auch, der gemeinsam mit Thomas Bradric Chavda Yankov den Ball in der 63. Minute so vorlegte, dass der Bulgare mit einem satten Schuss aus 13 Metern Entfernung die Spannkraft des Frankfurter Tornetzes testete. 2:0 für die Niedersachsen, die zuletzt 1975 nach einer 2:0-Führung verloren hatten, wie die eifrige Stadionstatistikabteilung hoffnungsfrohe Fans schnell informierte.

Die Statistik sollte sich nicht irren und führt bei 96 zu einem angenehmen Platz im oberen Tabellendrittel, sowie einem Vereinsrekord, in den ersten vier Spielen ungeschlagen zu sein. Trainer Ewald Lienen und die 96-Profis traten dennoch auf die Bremse. „Bei aller Euphorie dürfen wir unsere Defensive nicht aus den Augen verlieren. Eine erfahrenere Mannschaft als Frankfurt hätte unsere Abwehrfehler ausgenutzt“, sagte der Coach. Auch Torwart Robert Enke traute dem Braten „einstelliger Tabellenplatz“ noch nicht. HEY/DPA