Letzte Sprünge

Mit Peter Liebers beendet einer der großen Stars des deutschen Eiskunstlaufs seine Karriere. Hinter ihm und Paul Fentz klafft eine große Leistungslücke

Schaulaufen bei den Meisterschaften: Wer kommt nach Peter Liebers? Foto: imago

Von Marina Mai

Wenn am Freitag bei den Europameisterschaften im Eiskunstlauf in Moskau die letzten Klänge seiner Kürmusik verklungen sind, geht für den Eiskunstläufer Peter Liebers eine Ära zu Ende. Der 29-jährige Berliner beendet seine Laufbahn. Ob er danach sein Studium der Biotechnologie fortsetzt, wie er es der taz noch im November sagte, oder ob er Karriere im Sportfachverband Deutsche Eislauf-Union macht, wo Stellen altersbedingt neu besetzt werden müssen, ist noch offen. Wettkämpfe jedenfalls sind nicht mehr geplant.

Seit elf Jahren ist der deutsche Eiskunstlauf ohne Peter Liebers undenkbar. Er war sechsmal deutscher Meister. Sieben Mal ist er zu Europameisterschaften und acht Mal zu Weltmeisterschaften angetreten. Liebers galt als Teenager als eines der größten Sprungwunder weltweit. Er beherrschte mit 15 den dreifachen Achsel und lernte schnell Vierfachsprünge. Im Wettkampf scheiterte er allerdings immer wieder mit seinen Nerven, seine Karriere war deshalb ein Auf und Ab. Durch die Arbeit mit einem Sportpsychologen meistert er den Wettkampfstress jetzt besser. Auch in der künstlerische Seite seiner Sportart, die ihm nicht in die Wiege gelegt war, kann Liebers inzwischen überzeugen: Er arbeitet mit namhaften kanadischen Choreografen zusammen, seine Bewegungen sind weicher geworfen.

Liebers ist ein Stehaufmännchen: Mehrfach kämpfte er sich nach schweren Verletzungen wie einem Bruch des Kreuzbeins oder einer Operation an der Leiste an die internationale Spitze zurück. Manche Saison musste der Sportler allerdings auslassen. Statt auf dem Eis zu überzeugen, musste er nach Operationen in der Reha Bewegungen neu lernen. Der große Höhepunkt seiner Karriere war der achte Platz zu den Olympischen Spielen vor vier Jahren in Sotschi. Gern wäre Liebers auch dieses Jahr zu Olympia gefahren. Das Ziel Olympia hatte ihn motiviert, nach der langen Verletzungspause 2016 wieder Sprünge und Pirouetten zu lernen. Doch im Kampf um den einzigen deutschen Startplatz für Pyeongchang unterlag er seinem vier Jahre jüngerem Trainingskameraden Paul Fentz. Liebers steht für Olympia lediglich als Ersatzkandidat auf der Liste.

Als Teenager hatte Peter Liebers sich einmal vorgenommen, den Familienrekord im Eiskunstlauf zu brechen. Das heißt, er wollte bessere internationale Platzierungen erreichen, als das seinem Vater Mario Liebers und seinem Bruder Martin gelungen war. Der Vater war von 1975 bis 1980 für die DDR international angetreten, der Bruder von 2001 bis 2009. Mit dem Olympiastart in Sotschi ist Peter das auch gelungen. Weder Vater noch Bruder konnten sich für Olympia qualifizieren. Bei Europameisterschaften hat Peter den Bruder geschlagen und mit dem Vater gleichgezogen: Vater und der jüngste Sohn können jeweils sechste Plätze als beste Platzierungen verbuchen. Um das in Moskau angesichts der starken Konkurrenz noch überbieten zu können, müsste der Berliner dort allerdings eine Sternstunde haben. Am Mittwoch beim Kurzprogramm und am Freitag in der Kür.

Seit elf Jahren ist der deutsche Eiskunstlauf ohne Peter Liebers undenkbar. Jetzt sind bei den jüngeren Männern die Talente rar

Realistisch ist aber, dass Liebers gemeinsam mit Fentz auch für 2019 zwei Startplätze für die Deutsche Eislauf-Union zu den europäischen Titelkämpfen erkämpft. Damit würden sie den Verband allerdings vor die schwierige Frage stellen, wen er dorthin entsenden kann. Denn nach ihnen klafft eine riesige Leistungslücke im Eiskunstlauf der Männer. Auch wenn Juniorenmeister Jonathan Hess (17) aus Stuttgart Fortschritte macht: Bis zur internationalen Spitze ist sein Weg noch weit.

Liebers und Fentz hatten als Junioren auch national viele starke Konkurrenten, mit denen sie sich im Training messen und gegenseitig motivieren konnten. Jetzt sind bei den jüngeren Männern die Talente so rar gesät, dass der Eiskunstlaufverband zu den Junioren-Grand Prix-Wettkämpfen Startplätze ungenutzt lassen musste. Der Mangel an talentierten jungen Männern macht es auch schwierig, Eiskunstlaufpaare zu bilden. Interessierte und begabte Mädchen gäbe es durchaus.

In Moskau geht die Deutsche Eislauf-Union ohne Medaillenkandidaten an den Start. Die Vizemeister des Vorjahres im Paarlaufen, Aljona Savchenko und Bruno Massot, haben sich entschieden, den Wettkampf auszulassen und stattdessen für Olympia zu trainieren. Dort wollen sie Gold holen. „Das Team stellte in den vergangenen Tagen fest, dass nicht alle technischen Feinheiten wunschgemäß laufen“, heißt es aus der Deutschen Eislauf-Union. An denen soll im Training in Oberstdorf noch bis Februar gefeilt werden.