heute in hamburg
: „Es gab massenweise Raubkopien“

Foto: Nic Wendorf

Reinhard Otto, 62, betreut seit über 30 Jahren das Barmbeker Schallarchiv

Interview: Leif Gütschow

taz: Herr Otto, heute Abend erzählen Sie gemeinsam mit dem Zeitzeugen Uwe Storjohann über die Swing-Jugend zur NS-Zeit. Was für Musikbeispiele haben Sie dafür ausgewählt?

Es werden Original Schellackplatten aus der damaligen Zeit gespielt. Ich spiele vor allem Titel, mit denen man sich damals auch so identifiziert hat. Ein Beispiel ist der „Tiger Rag“, das ist einer der ganz bekannten Titel.

Wie spielen Sie die Musik ab?

Über ein Grammophon, ein altes Koffergrammophon aus der damaligen Zeit.

In den 1930er Jahren spielten Swing-Orchester im Alsterpavillon, bis die Gestapo dort Razzien durchführte und auch die Anhänger dieser Musikrichtung verfolgte. Gibt es aus der Zeit Live-Mitschnitte der Konzerte?

Nein, das wäre viel zu riskant gewesen. Die Betreiber solcher Lokale waren alle in dem nationalsozialistischen System der sogenannten Gefolgschaften und der Kammern zwangsorganisiert. Die hatten in erster Linie das Interesse, dass das alles störungsfrei lief. Und es war auch technisch schwierig. Die Apparaturen waren wesentlich größer, als die heutigen. Aber es gab massenweise Raubkopien von amerikanischer und englischer Jazz-Musik.

Die Platten mit Swing-Musik waren in der Kriegszeit trotzdem nur schwer zu bekommen. Wie verbreitet sind die Platten von damals heute?

Vor dem 1. September 1939 waren Schallplatten ein ganz normales Wirtschaftsgut, wie alle anderen Waren auch. In den Großstädten war das kein Problem. Während des Krieges war es deutlich schwerer, an sie heranzukommen. Es gibt auch Schätzungen, dass zwischen 20 und 30 Prozent der verkauften Platten das Ende des Krieges überlebt haben.

Schellackplatten zerbrechen leicht. Digitalisieren Sie Ihre Bestände?

Ich habe aus dem Archiv ungefähr 7000 Titel digitalisiert. Ich kann nicht immer mit dem Grammophon arbeiten, deshalb digitalisiere ich auch.

Heute hat Hamburg wieder eine sehr aktive Swing-Tanz Szene. Bekommen Sie von dort Nachfragen nach Ihren Archivstücken?

Es gibt da zahlreiche Verbindungen. Ich habe seit 1998 mit einem Sammlerfreund die Entstehung dieser Hamburger Swing-Tänzer Szene begleitet. Ich denke, da werden heute Abend auch eine ganze Menge Leute von denen anwesend sein.

Vortrag mit Diskussion und Musikbeispielen „Swing-Musik und Swing-Jugend“, 18 Uhr, Zinnschmelze, Maurienstraße 19