Kein Recht für Igor Guschwa in der Ukraine

Nach Drohungen hat der regierungskritische ukrainische Journalist in Österreich Asyl beantragt

Igor Guschwa, Chefredakteur des ukrainischen regierungskritischen Internetportals strana.ua, hat am Mittwoch das Land verlassen und in Österreich um Asyl gebeten.

Seit dem Start des Internetportals vor zwei Jahren sei die Redaktion von strana.ua einem unaufhörlichen Druck vonseiten der Machthaber ausgesetzt gewesen, sagte Guschwa am Mittwochabend in einem Interview. Insgesamt seien fünf Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Dazu kämen Belästigungen und regelmäßige Morddrohungen. Lange habe er auf den Rechtsweg gesetzt. Doch inzwischen sei ihm zugetragen worden, dass Richter angewiesen worden seien, ihn zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren zu verurteilen. Gleichzeitig entsetze ihn die Untätigkeit der Rechtsschutzorgane angesichts der Drohungen gegen ihn und seine Kollegen.

Scharf verurteilt Guschwa Präsident Poroschenko. Ohne dessen Zustimmung sei die Kampagne gegen ihn nicht möglich gewesen.

Im Juni 2017 war Guschwa nach einer Durchsuchung in den Redaktionsräumen wegen Bestechlichkeit festgenommen worden. Man habe den Journalisten in Haft genommen, weil dieser den Abgeordneten der Radikalen Partei, Dmitri Linko, erpresst habe, so der ukrainische Generalstaatsanwalt Luzenko. Guschwa habe angeboten, gegen Zahlung von 10.000 Dollar einen kompromittierenden Text nicht zu veröffentlichen. Mehrere Tage hatte Guschwa im Gefängnis verbracht, bevor er gegen Auflagen vorläufig auf freien Fuß gesetzt wurde.

Geschlossen stellte sich die Redaktion von strana.ua in einem offenen Brief an Präsident Poroschenko hinter ihren Chef. Mit dem Vorgehen gegen Guschwa würde der Präsident bereits jetzt den Präsidentschaftswahlkampf einläuten. „Wir haben gelernt, unter den Bedingungen eines totalen Drucks von Ihrer Seite aus zu arbeiten. Wir wissen, dass es nur noch ein gutes Jahr bis zu den Wahlen ist und dass Sie nicht Ruhe geben werden, bis man uns Journalisten, die den Mut hatten, Sie zu kritisieren, den Mund verbietet.“

Igor Mosijuk, nationalistischer Abgeordneter der Radikalen Partei, kritisiert hingegen auf seiner Facebook-Seite die ukrainischen Behörden, dass sie die Flucht des kritischen Journalisten nicht verhindert hatten. Wenn der Staat nicht in der Lage sei, Kollaborateure und Spione zu bestrafen, müssten diese Funktion wohl andere unbekannte Patrioten übernehmen.

Bernhard Clasen, Kiew