Lettlands Banken wanken

Nationalbankdirektor verhaftet, drittgrößtes Geldinstitut des baltischen
Staates benötigt Rettungskredit, Ministerin sieht „Krise des Finanzsystems“

Von Reinhard Wolff

Lettlands Bankensystem bebt. Am Wochenende war der lettische Nationalbankdirektor Māris Kučinskis nach stundenlangem Verhör durch die Antikorruptionsbehörde festgenommen worden. Am Montag folgte eine Anordnung der Europäischen Zentralbank (EZB) an die lettische Bankenaufsicht, alle Auszahlungen der ABLV-Bank einzufrieren, weil sich die Finanzlage des drittgrößten Geldinstituts Lettlands dramatisch verschlechtert hat.

Was diese Bank selbst dadurch bekräftigte, dass sie bei der Nationalbank einen Rettungskredit in Höhe von 480 Millionen Euro beantragte, um „die entstandene Situation zu stabilisieren“. Umgehend erhielt sie eine erste Rate von 97,5 Millionen Euro.

Es handele sich um „eine Krise für den internationalen Ruf des Finanzsystems Lettlands“, konstatierte Finanzministerin Dana Reizniece-Ozola. Begonnen hatte diese am vergangenen Dienstag in New York. Dort erhob die US-Finanzstaats­sekretärin Sigal Mandelker schwere Vorwürfe gegen die ABLV-Bank. Diese betreibe „Geldwäsche als institutionalisierten Pfeiler ihrer Geschäfte“ und habe Transaktionen mit Personen und Institutionen durchgeführt, die auf der US-Sanktionsliste stünden, darunter solchen, die in Beschaffung und Export nordkoreanischer Langstreckenraketen involviert seien. Die Finanzkontrollbehörde FINCEN beantragte gleichzeitig, US-Banken alle Transaktionen mit der ABLV zu verbieten.

Das lettische Bankensystem hat sich zu einem wichtigen Scharnier für den Kapitalfluss zwischen den ehemals zur Sowjetunion gehörenden Staaten und westlichen Ländern entwickelt. Die mit der Veröffentlichung des FINCEN-Reports drohende Blockade von Dollartransaktionen hat vermutlich zu einem massiven Geldabfluss von ABLV-Konten geführt, worauf die Bank zahlungsunfähig wurde.

Und der Nationalbankchef, der bislang auch noch EZB-Ratsmitglied ist? Er werde verdächtigt, „mindestens 100.000 Euro Bestechungsgelder verlangt oder angenommen zu haben“, teilte die Antikorruptionsbehörde am Montag mit. Es gebe aber keine Verbindung zu ABLV, es handle sich um einen anderen Komplex.