Die dunkle Quelle des Wohlstands

Die Sacklers sind Stifter für Kultur und Bildung. Reich geworden sind sie mit Oxycontin

Von Harald Maass

Die Sacklers sind in der US-Kunstszene eine bekannte Familie: Im Metropolitan Museum of Art und im Louvre sind ganze Gebäudeflügel nach der Unternehmerfamilie benannt. In Washington gibt es die Sackler Galerie, in Harvard das Sackler Museum. Wenige Familien haben in den vergangenen Jahrzehnten so viel Geld für Kultur und Bildung gestiftet – und sich so sehr mit ihren Wohltätigkeiten gebrüstet. In Interviews erzählen die Abkömmlinge des weitverzweigten Clans gern über ihr soziales Engagement. Nur bei einem Thema werden sie wortkarg: Über die Quelle ihres Milliardenvermögens schweigt man am liebsten.

Denn die Sacklers, mit 13 Milliarden US-Dollar laut Forbes eine der 20 reichsten Familien der USA, verdanken ihren Wohlstand einem Mittel, das in Verruf geraten ist: dem Schmerzmedikament Oxycontin. 1995 hatte der Pharmakonzern Purdue, das Familienunternehmen der Sacklers, die als „Oxy“ bekannten Pillen auf den Markt gebracht und durch geschicktes Marketing zu einem der erfolgreichsten Schmerzmittel der USA gemacht.

Purdue feierte Oxycontin damals als medizinischen Durchbruch. Denn im Gegensatz zu anderen Schmerzmitteln sollte die Wirkung zwölf Stunden anhalten, so dass die Patienten nachts durchschlafen könnten. Die Gefahr abhängig zu werden? Sei praktisch nicht existent, behauptete Purdue, ohne eine klinische Studie dazu gemacht zu haben.

Stattdessen startete der Konzern eine aggressive Marketingkampagne: Mit teuren Reiseeinladungen und geschönten Studien wurden Ärzte dazu verführt, Oxy schon bei alltäglichen Beschwerden wie Rückenschmerzen zu verschreiben. Hunderte Purdue-Vertreter besuchten genau die Ärzte, die besonders viel und sorglos Schmerzmittel verschrieben. Das Ergebnis: Bis zu 35 Milliarden US-Dollar soll Purdue bisher mit Oxycontin verdient haben.

Was der Konzern von Beginn an wusste: Für Millionen Amerikaner waren Oxy und andere Opioid-Medikamente der direkte Einstieg in die Drogensucht. Denn anders als von Purdue behauptet, macht Oxy schnell abhängig – oft schon nach wenigen Tagen. Verstärkt wurde der Effekt, wenn man die Pillen – wie millionenfach geschehen – zu Pulver stampfte. Wem Oxy irgendwann zu teuer wurde, stieg auf billigeres Heroin oder synthetisches Fentanyl um.

Obwohl Purdue die Gefahren kannte, wurde der Konzern bisher kaum belangt: 2007 stimmte Purdue in einem Vergleich einer Geldstrafe von 600 Millionen US-Dollar zu, weil es nicht ausreichend auf die Gefahren der Abhängigkeit hingewiesen hatte. Angesichts der Milliardengewinne, die der Konzern und die Sackler-Familie mit dem Medikament machten, fiel die Strafe kaum ins Gewicht. Mehr als 200.000 US-Amerikaner sind durch die Opioid-Krise bisher ums Leben gekommen – sehr viele von ihnen gerieten nach Ansicht von Experten durch Oxycontin in die Abhängigkeit. Sieben Millionen Amerikaner gelten mittlerweile als drogensüchtig. Purdue streitet jede Verantwortung ab.