Eine Ode an die Trucker des Iran

Auf Reisen hat er sein Material gesammelt. Im Acud stellt der iranische Musiker Makan Ashgvari heute sein Album „To Trucks“ vor

Mit Deep Purple hat bei Makan Ashgvari alles angefangen Foto: Mehrdad Motejalli

Von Natalie Mayroth

In der Wüstenregion Farahzad beginnt die Reise. Nach einem „Salam“ setzt der Gesang ein. Es ist ein älterer Mann, den Makan Ashgvari auf einem Road­trip in einer Karawanserei trifft. Fasziniert von dessen Stimme, nimmt er ihn auf. Er singt in Aseri, einem Dialekt, der sonst im Norden des Landes gesprochen wird. Später macht Ash­gvari daraus eines der zehn Stücke, die auf seinem zweiten, im Februar erschienenen Solo­album, „To Trucks“, zu hören sind. Ashgvari ist viel auf Reisen. Der Titel seines Albums „To Trucks“ erzählt davon, dass es auf Material basiert, das Ashgvari auf Reisen durch den Iran aufgenommen hat. Dabei war er auch per Anhalter unterwegs: „Gewidmet habe ich das Album den Lkw-Fahrern, denen ich auf meinen Reisen begegnet bin.“

Zeit für ein Interview findet sich zwischen Aufenthalten in Schiras und Berlin. Der 32-Jährige ist vor allem in der Teheraner Musik- und Theaterszene aktiv. Vor vier Jahren gründete er das Label Otaghkar, ein ungewöhnliches Kompositum, das so viel wie „Arbeitszimmer“ heißt. Doch der Neologismus passt zu dem, was er macht. Er lässt Raum für Interpretation und weist darauf hin, dass das Label nicht nur Plattform für sein erstes selbst produziertes Album, sondern auch für andere Independent­künstler ist. Daneben komponiert ­Ash­gvari Film- und Theatermusik, ist regelmäßig an interdisziplinä­reren Thea­terstücken und Performances beteiligt und gibt ­Gesangsunterricht.

„Mit 18 fing ich an, Deep-Purple-Songs zu singen“, erzählt er. Heute ist Makan Ash­gvari vor allem als Singer-Songwriter bekannt und arbeitet mit Künstlern wie Mehdi Saki oder King Raam zusammen. Mit „To Trucks“ schlägt er ein neues Kapitel seiner musikalischen Arbeit auf, die mit einem Studium in Klassischer Musik, Gitarre und Klavier begann. Nach Rockmusikprojekten, die jährlich wechselten, wandte er sich dem Jazz zu. Seitdem wird er immer experimenteller. Elek­tronische Musik ist heute die Grundlage, die wunderbar mit seiner klaren und sanften Stimme, die gelegentlich an Bon Iver erinnert, harmoniert.

Zu hören ist diese neue Seite Ashgvaris auf „To Trucks“, einem Album, das aus Zufall entstand: „Ich habe einfach aufgenommen, ohne einen Plan zu haben. Aber manchmal konnte ich hören, was ich mit den Sounds machen kann.“ Auf Reisen in verschiedene Regionen des Landes von Farahzad in Zentraliran aus, an der Golfküste entlang, bis ins arabisch beeinflusste Ahwas. Immer wieder traf der Musiker auf Stimmen, die ihn dazu verleiteten, sie einzufangen, zu bearbeiten, abzumischen.

„To Trucks“ lebt von Arrangements, Improvisationen, Interpretationen und Gesprächen unter Freunden, die Ashgvari begleiten. Fünf Sessions aus Männergesang und Instrumentals wurden zur Grundlage der A-Seite des Albums, deren Tracks jeweils die Namen einer Region tragen: „Teheran“ pulsiert, in „Isfahan“ und „Ahvaz“ wartet A-cappella-Gesang. Letzterer wird mit Bässen unterlegt, sodass er fast zu einem Clubtrack wird.

„Es ist das erst Mal, dass ich alles selbst gemacht habe, von der Aufnahme zur Produktion. Nur das Cover hat ein Freund gestaltet“, erzählt Ashgvari, und ergänzt: „Für dieses Album habe ich keinen Song geschrieben. Ich habe alte Songs und Gedichte verwendet, zusammengeschnitten und manchmal die Lyrics verändert.“

Die B-Seite ist nachdenklicher. Die Tracks sind Remixe aus modifizierten Zeilen aus klassischen persischen Gedichten und Liedern. Wer genau hinhört, entdeckt Strophen der Dichter Hafis, Rumi oder Usman Marwandi sowie von traditionellen Liedern aus dem Südwesten Irans. „Manchmal macht das Menschen verrückt, weil es quasi verboten ist, so mit klassischer Literatur umzugehen“, sagt Ashgvari über seine Interpretationen.

Vergisst man, dass auf Persisch und Aseri gesungen wird, klingt es wenig orientalisch

Vergisst man, dass auf Persisch, Aseri und Arabisch gesungen wird, klingt es wenig orientalisch – bis auf die Glocken, Trommeln und Flöten aus der Golfküstenprovinz Buschehr.

Nach vielen Gemeinschaftsproduktionen hat es neun Jahre bis zu Ashgvaris zweitem Solo­album gedauert. Nimmt man die Songtitel der B-Seite wörtlich, fürchtet sich, tanzt und weint der Sänger. Das harmonische Grundgerüst bilden auch hier elektronische Beats und Sounds. Ergänzt werden sie stellenweise von berstenden Bässen, Klatschelementen oder Klaviereinspielungen.

Genau genommen ist „To Trucks“ mehr als eine geografische Reise, sie führt auch ins Vergangene. Und dieser Tage nun nach Europa. „To Trucks“ ist ein gefühlvolles Album, das aus Interaktion entstanden ist. Wie die Interaktion von Künstler und Musik mit dem Publikum im Club aussieht, wird sich zeigen. Als Vorband wird das Postpunk-Duo Lamß aus Teheran auftreten.

Makan Ashgvari, Lamß, Moji (DJ set) im Acud, Veteranen­straße 21. Heute, 8. März, 21 Uhr, 12 Euro