Andreas Speit
Der rechte Rand
: Warum „Kameraden“ zur Partei „Die Rechte“ überlaufen

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Das Organisationsmodell war für die rechtsextreme Szene eine Innovation. Unter dem Motto „Organisation ohne Organisation“ hatten die norddeutschen Rechtsextremisten Thomas Wulff und Christian Worch 1995 dazu aufgerufen „Freie Kameradschaften“ zu gründen. Mit Erfolg: Bundesweit entstanden zeitweise über 200 Kameradschaften mit dem Slogan: „Organisierter Wille braucht keine Partei“.

Gut zwanzig Jahre später haben die Kameradschaften für militante Rechtsextreme an Charme verloren – auch in Niedersachsen. Das „Kollektiv Nordharz“ ist nun das jüngste Beispiel einer Selbstauflösung. „Die Gruppe orientierte sich im militanten Habitus und in ihrer ‚revolutionär-antikapitalistischen‘ Rhetorik am bundesweiten Netzwerk des Antikapitalistischen Kollektivs“, sagt David Janzen vom Braunschweiger Bündnis gegen Rechts, das über rechte Netzwerke recherchiert.

Etwas über zehn Personen sollen den harten Kern der Kameradschaft gebildet haben. Eine übliche Anzahl, die durch ein niedrigschwelliges Angebot aus Aktionen, Partys und Rechtsrock-Konzerten weitere Gesinnungskameraden an sich binden kann.

Die Verwischung zwischen Politischem und Privatem im rechtsextremen Lifestyle – inklusive Modemarken und eigenem Parfüm – hat neue Wege der Identifikation und Integration mit der Szene eröffnet. Aber die medial erfolgreichen Selbstinszenierungen der „Identitären Bewegung“ der vergangen Jahre ließen die Attraktivität der Kameradschaften weiter sinken.

Die Anhänger des „Kollektivs“ haben bereits eine neue politische Struktur: Die Partei „Die Rechte“. In Bad Harzburg haben Rechtsextreme gleich nach der Auflösung den „Großkreisverband Süd-Ost Niedersachsen“gegründet, der rund 40 Mitglieder hat.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die Auflösung und das Überlaufen des „Kollektivs“ sei eher taktischen Überlegungen geschuldet, sagt Janzen. Die Aktivisten hätten ein Verbot ihrer Gruppe befürchtet und versuchten, durch die Verlagerung ihrer Aktivitäten in die Partei Die Rechte den rechtlichen Schutzmantel des Parteienstatus zu nutzen.

Bundesweit haben sich schon viele Anhänger aus Kameradschaften wegen eines verhängten oder drohenden Verbots der „Rechten“ angeschlossen. Damit widerlegten sie die Behauptung aus Sicherheitskreisen, das Verbote die Betroffenen in den Untergrund trieben. „Die Rechte“ sei gerade für die Anhänger der Kameradschaften und rechte Hooligans attraktiv, erklärte Martin Burgdorf vom Verein Miteinander in Salzwedel. Sie präsentiere sich radikaler und aktionistischer. Ihre Street-Credibility sei dadurch gewachsen.