„Rassismus ist kein Einzelfall“

PROTEST Nach der gescheiterten Botschaftsbesetzung beklagen Flüchtlinge harten Einsatz von PolizistInnen. Die Polizei rät: anzeigen. Das bringt nichts, sagt Sebastian Friedrich

■ 27, ist Aktivist der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP).

INTERVIEW NIKOLAI SCHREITER

taz: Anfang der Woche haben AktivistInnen aus Protest gegen Abschiebungen die nigerianische Botschaft besetzt. Einige der Festgenommenen warfen der Polizei danach massive Gewalt vor. Der Aktivist Rex Osa berichtet von rassistischen Beleidigungen und Beschimpfungen. Können Sie sich vorstellen, dass diese Vorwürfe stimmen?

Sebastian Friedrich: Ja. Betroffene rassistischer Polizeigewalt berichten immer wieder von ähnlichen Erfahrungen. Etwa beim Racial Profiling, wenn Menschen nur aufgrund rassistisch aufgeladener Merkmale wie der Hautfarbe kontrolliert werden.

Sie werfen also einzelnen PolizistInnen Rassismus vor?

Nicht ausschließlich. Es gibt PolizistInnen mit rassistischem Weltbild, aber das Hauptproblem ist ein anderes: Rassistische Praktiken werden durch Regelungen legitimiert, die selbst noch nicht rassistisch sind. Die Schleierfahndung etwa erlaubt im Grenzgebiet schlicht verdachtsunabhängige Personenkontrollen. Erfahrungsgemäß werden da aber meist schwarze Menschen überprüft.

Hebt sich die Polizei im Punkt Rassismus von der restlichen Gesellschaft ab?

Ja und nein. Nein, weil sie als Teil der Gesellschaft Spiegel eines allgemeinen Rassismus ist, den fast alle Menschen in sich tragen. Ja, weil sie durch ihr Gewaltmonopol eine besondere Rolle hat. Sie kann mitdefinieren, was Kriminalität ist. So wird der vorhandene Rassismus verstärkt.

Bei Vorfällen wie jenen von Montag – ist da auch Rassismus die Motivation?

Nach allem, was die Betroffenen berichten, ist erneut der Rassismus bei der Polizei zum Ausdruck gekommen.

Die Polizei empfahl jenen, die durch PolizistInnen geschädigt wurden, dies anzuzeigen. Kann das Aufklärung bringen?

Nach unserer Erfahrung nur selten. Meist bleiben Ermittlungen gegen PolizistInnen wegen Beleidigung oder Körperverletzung im Amt folgenlos. Im Gegenteil, es gibt häufig Gegenanzeigen seitens der Polizei, etwa wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Die führen weitaus häufiger zu einer Verurteilung und sind eine Strategie der Einschüchterung.

Inwiefern?

Die Gegenanzeige soll Druck aufbauen, die Anzeige gegen die Polizei fallen zu lassen.

Warum ist die Aufklärungsquoten rassistischer Polizeigewalt so gering?

Oft wird PolizistInnen vor Gericht mehr Glauben geschenkt. Zudem sagen PolizistInnen selten gegen KollegInnen aus.