Aus den Townships

Der erfolgreiche südafrikanische Musiker Sam Tshabalala geht mit seiner neuen CD „Meadowlands“ in NRW bis Ende September auf Tour

INTERVIEW VON ULRIKE KLAUSMANN

taz: Deine neue CD trägt den Titel Meadowlands...

Sam Tshabalala: ...ja, das ist ein altes Lied, es geht um eine Township in Südafrika, die in den 60er Jahren entstand. Die Schwarzen wurden gezwungen, in diese Meadowlands zu ziehen.

Wiesenland: Klingt schön.

Ja, aber das Land, das sie uns gaben, war trocken und karg, voller roter Steine. Sie hatten schöne Namen dafür, zum Beispiel Mamelodi. Das war die Township, in die ich umgesiedelt wurde.

Wie hast du die Zwangsumsiedlung erlebt?

Aufgewachsen bin ich auf dem Land, da habe ich von der Apartheid nicht so viel mitbekommen. Es gab nur Schwarze, alle sprachen Shangaan oder Tswana. Ich sah keine Weißen, sie konnten mir nichts anhaben. Auch in der Schule waren wir unter uns. Von Mandela wusste ich, dass man seinen Namen nicht aussprechen durfte, sonst kam man ins Gefängnis. Denn er saß im Knast, weil er zu einer Untergrundorganisation gehörte.

Wann hast du die Apartheid zu spüren bekommen?

Meine Eltern haben mit uns nicht über Apartheid gesprochen. Sie haben gearbeitet, meine Mutter war Hausangestellte bei einer weißen Familie. Ich sah sie selten, aber wenn ich sie besuchte, waren die Weißen nie zu sehen. Ich glaube, sie haben es sehr schwer gehabt. Als ich in die Township kam, in der Nähe von Pretoria, war ich 18. Erst als ich mit Weißen gearbeitet habe, wurde mir bewusst, was Aparteid bedeutet. Da habe ich gemerkt: Hier stimmt was nicht!

Du warst Sänger und Gitarrist in der Gruppe Malopoets, und ihr habt in euren Liedern die Probleme der Schwarzen thematisiert. Habt ihr Schwierigkeiten bekommen?

Als wir anfingen, unsere Lieder in Zulu zu schreiben, fingen die Probleme an. Manchmal verschwanden Mitglieder unserer Band. Man hat uns beobachtet, verhört und verdächtigt, dass wir zu einer Organisation gehören. Im Radio wurden unsere Lieder zensiert, und wir durften nicht überall auftreten. Einmal haben wir in Kapstadt vor einem weißen Publikum gespielt, es war ein schöner Ort im Freien. Nach dem Konzert wollten wir uns setzen und etwas trinken. Da hat der Boss des Lokals gesagt: Ihr könnt hier nicht bleiben, ich habe keine Lizenz für Schwarze. Es gab dauernd solche Probleme. Wir wollten das Land verlassen.

Du bist dann nach Frankreich gegangen.

Wir hatten eine Einladung nach Paris. Wir sollten bei der Einweihung des Place du Trocadero singen. Da haben wir berühmte Leute getroffen wie Barbara Hendrix. Stell dir vor, du kommst aus Südafrika und der Präsident von Frankreich schüttelt dir die Hand! Du bist überall willkommen, sie hören dir zu und interessieren sich für dich!

War das Publikum außerhalb Südafrikas immer so positiv?

In den USA hatten wir Probleme. Die Leute kannten uns nicht, es war die Zeit der Boykotts gegen Südafrika, die Künstler gegen Apartheid hatten dazu aufgerufen, und man wollte uns am Auftritt hindern. Da haben wir gesagt: In Südafrika dürfen wir nicht spielen, hier auch nicht, wo sollen wir denn dann spielen?

Du lebst bis heute in Paris?

Ich fühle mich sehr wohl in Paris. Erst hier habe ich Afrikaner aus anderen Ländern kennen gelernt. Anfangs war ich sehr erstaunt, dass sie nicht Zulu, sondern Französisch sprachen. Sie kamen aus den Kolonien. Jetzt weiß ich, was man in Senegal isst, was in Kamerun und Mali auf den Tisch kommt und welche Musik man dort macht.

Welche Themen sind für dich heute wichtig?

Die Situation in den Townships ist nach wie vor brisant. Armut und Gewalt herrschen vor. Jetzt wird es allmählich besser, aber vor zwei Jahren war es in den Townships einfacher, ein Gewehr zu kaufen als ein Buch.

In deinem Song „Soneni“ geht es darum.

Es geht um meinen Neffen, der vor den Augen meiner Schwester erschossen wurde. Mir fällt auf, dass es in den Townships viele Kirchen gibt. Ich habe nichts gegen Religionen, aber ich denke, es wäre besser, wenn meine Schwester sich mit ihren Freunden treffen und vielleicht eine Gruppe gegen Gewalt gründen würde. Aber wenn in den Townships etwas passiert, gehen die Leute in die Kirche.

Hast du noch Kontakt nach Südafrika?

Manchmal fliege ich hin. Doch ich glaube, auch von Paris aus haben wir viel bewirkt. Die Leute sagen mir: Es ist wahr, was du da singst. Die Leute in den Townships können vielleicht nicht lesen, aber wenn sie die Lieder in Zulu hören, berührt es sie. Heute sind andere Zeiten, heute kämpfen wir für eine bessere Zukunft und Bildung in Südafrika.