AUF DER REICHENBERGER
: Vegan mit Blanqui

Hey, toll! Du isst meinen Kuchen. Hab ich gemacht!

In der Reichenberger Straße ist ein Straßenfest, und zwar an der Ecke Lausitzer, wo ich in der Respectbar die BVB-Spiele gucke. Auf der Rückwand einer großen Bühne steht in großen selbst gemalten Buchstaben „Wir bleiben alle“. Warum, frage ich mich. So schön ist die Reichenberger auch wieder nicht. Außerdem sollen sich hier „Miethaie“ tummeln. Das steht auf einem selbst gemachten Plakat. Auf der Bühne ein junger Mann mit dunkler Sonnenbrille. Er windet sich und umklammert eine Gitarre. Der Verstärker ist auf laut und verzerrt eingestellt. Der Mann wirkt ein wenig autistisch und verloren auf der Bühne. Niemand hört zu. Ich schlendere zu einem Stand, auf dem Broschüren ausliegen und ein vegan zubereiteter Schokoladenkuchen. Vegan zubereiteter Schokoladenkuchen? Ich frage die junge Frau hinter dem Stand mit Dreadlocks und Eisen im Ohr, wie viel der Kuchen kostet. „Is gegen Spende“, sagt sie. Also spende ich. Ich kann nicht herausfinden, was an dem Kuchen vegan ist, weil er verbrannt schmeckt.

Ich esse den Kuchen obenrum, weil er unten schwarz ist und kaufe eine Broschüre mit dem Titel „Blanqui oder die staatliche Insurrektion“, in der Blanqui vor „den energischsten und flexibelsten Subversiven autoritärer Prägung“ in Schutz genommen wird. Ich bin ein bisschen melancholisch gestimmt, weil ich auch mal solche Broschüren geschrieben und verteilt habe. Allerdings umsonst. Blanqui hingegen kostet, wenn auch nur eine Spende. Ich zahle für ihn das Gleiche wie für den verbrannten Kuchen.

Plötzlich ruft jemand begeistert: „Hey toll! Du isst meinen Kuchen. Hab ich gemacht!“ „Schmeckt gut“, sage ich und lache. Der junge Mann hat das linke Bein geschient und eine Halskrause. Ich hoffe, das ist ihm nicht beim Kuchenbacken passiert. Ich werfe den verbrannten Kuchenboden in den Müll. Dortmund spielt nur Unentschieden.

KLAUS BITTERMANN