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: Polittheater
im Blitzlicht

Kann sich noch jemand an den letzten Bundestagswahlkampf erinnern? Viele werden nach der langwierigen Koalitionsbildung bereits vergessen haben, wie öde der war. Merkwürdig kontrastierte der Hype um „Martin, Martin“ zur Inhaltslosigkeit des Kandidaten und zum politischen Angebot der Parteien. Und eigentlich konnte man deutlich sehen, dass Politik über alle Lager hinweg nicht nur ein Problem mit ihren Inhalten hat, sondern auch mit ihrer medialen Selbstinszenierung.

Wie sieht Parteipolitik aus; was ist ihre Ästhetik? Die ritualisierte und mindestens gedankenlose Allianz von Politik und Medien sind das Thema von Nikita Teryo­shin, der mit der Veröffentlichung seiner Fotoserie über „Glanz und Elend der Bundesparteitage“ im Magazin taz.Futur­zwei („Wie weiter, Germans?, Ausgabe 2/2017“) nun zu Recht für den Nannen Preis 2018 in der Kategorie Reportage-Fotografie nominiert wurde.

Diese Arbeit ist großer Sport: Teryoshin fühlte sich bei der Fotografenehre gepackt – und machte sich auf, genau dort eigene Bilder zu finden, wo mit großem inszenatorischen Aufwand alles dafür getan wird, die Bilder penibel vorzugeben. Nichts sollte für die Sekunden in den TV-Nachrichten dem Zufall überlassen bleiben. Doch Teryoshins Blitzlichtgewitter entlarvte jede Szene, jeden Popel als das, was sie waren: Teile einer ins Leere laufenden Inszenierung mit großem komischen Potenzial.

Ob Teryoshin den renommierten Preis erhält, wird sich am 11. April in der Hamburger Elbphilharmonie zeigen. Dresscode: dunkler Anzug. Mathias Königschulte