SPD darf weiter funken

Die Beteiligung der Partei an privaten Hörfunksendern ist zulässig. Zum zweiten Mal binnen weniger Wochen erklärt ein Gericht ein Gesetz der schwarz-gelben Koalition in Niedersachsen für verfassungswidrig. Die sieht sich „in wesentlichen Punkten bestärkt“ und plant schon mal ein neues Gesetz

Von Kai Schöneberg

Geld oder Liebe – das gilt selbst für Parteien. Auch wenn die SPD derzeit verzweifelt um Wähler-Emotionen kämpft (Liebe), kann sie sich sicher sein, dass die Erlöse ihrer Medienholding DDVG auch in Zukunft weiter gen Parteikasse fließen (Geld). Dafür sorgte gestern der Niedersächsische Staatsgerichtshof, als er die von der schwarz-gelben Landesregierung geänderten Passagen im Mediengesetz für verfassungswidrig erklärte. Binnen sechs Wochen hat damit ein Gericht das zweite Mal ein von CDU und FDP beschlossenes Gesetz kassiert: Ende Juli war vor dem Bundesverfassungsgericht die präventive Telefonüberwachung im niedersächsischen Polizeigesetz für nichtig erklärt worden.

Das sei ja heute „ein schöner Vormittag“, frohlockte Klageführer Sigmar Gabriel nach der Urteilsverkündung in Bückeburg. Als SPD-Fraktionschef hatte der heutige Bundestagskandidat die Klage gegen das „Anti-SPD-Gesetz“ im Mai 2004 eingereicht. Dabei hatte der Präsident des Staatsgerichtshofs, Manfred-Carl Schinkel, den Sozen nicht in allen Punkten Recht gegeben. Formell sei das Gesetz verfassungskonform, betonte Schinkel in seiner Urteilsbegründung. Allerdings schränke die Anfang 2004 im Landtag beschlossene Regelung das Gebot der Rundfunkfreiheit „in unzulässigem Maße“ ein. Auch Parteien seien nämlich „grundrechtsfähig“, für den Juristen Schinkel gelten für sie grundsätzlich ähnliche Rechte wie für jeden Staatsbürger. Genau deshalb hätten die Parteien auch ein Recht darauf, sich per Radio oder Fernsehen in die öffentliche Meinungsbildung einzumischen, betonte Schinkel.

Genau dagegen machen Schwarz wie Gelb jedoch Front. „Seit dem Parteispendenskandal versuchen CDU und FDP, der SPD wirtschaftlichen Schaden zuzufügen und so die Kampagnenfähigkeit der Partei zu beeinträchtigen“, sagte Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, die qua Amt über das Medienimperium der SPD gebietet (siehe Kasten). Die Sozen behaupten stets, ihre Besitztümer seien seit uralten „Vorwärts“-Zeiten historisch gewachsen. Anders als früher nehme die SPD jedoch inhaltlich keinen Einfluss mehr auf Redaktionen. Es gehe nur ums Geld. Laut Wettig-Danielmeier flossen 2003 etwa die Hälfte der DDVG-Einnahmen in Höhe von 12,5 Millionen Euro in die Parteikasse. Die Einkünfte seien „nur ein teilweiser Ausgleich für die hohen Spenden für Union und FDP aus der Wirtschaft“.

Der Landtag in Wiesbaden wird dennoch im Herbst das neue hessische Mediengesetz debattieren, nach dem Zeitungen im Impressum ihre Besitzverhältnisse offenlegen müssen. Kritiker sprechen von einer „Lex Frankfurter Rundschau“, da vor allem das liberale Blatt betroffen ist, das die DDVG im vergangenen Jahr zu 90 Prozent übernahm – und damit vor dem Konkurs rettete. Vor fünf Jahren hatte der schwarz-gelb dominierte hessische Landtag bereits beschlossen, dass Radiosender keine Lizenzen mehr bekommen, an denen Parteien direkt oder indirekt beteiligt sind. Ähnliche Gesetze gibt es inzwischen auch in Baden-Württemberg und Bayern. Beim Bundesverfassungsgericht liegt inzwischen eine Normenkontrollklage von SPD-Abgeordneten gegen das hessische Gesetz vor. Die Karlsruher Richter dürften sich das gestrige Urteil aus Bückeburg genau anschauen.

Anders als in Hessen führt das niedersächsische Mediengesetz eine Höchstgrenze für Beteiligungen an Privatsendern ein. Indirekt oder direkt dürfen Parteien danach nicht mehr als zehn Prozent an den Radios halten. Betroffen davon ist in Niedersachsen allein die SPD, die am Madsack-Verlag über die DDVG zu 20,4 Prozent beteiligt ist. Madsack wiederum hält kleine Beteiligungen an Radio ffn, Hit-Radio Antenne und Radio 21, die der Verlag bereits umstrukturiert hat. Das Mediengesetz diene zwar dem verfassungsmäßigen Gebot der Staatsferne des niedersächsischen Rundfunks, sagte Richter Schinkel gestern. Aber: „Das Ziel, Staatsferne, Überparteilichkeit sowie Meinungsvielfalt des Rundfunks“ zu sichern, rechtfertige „nicht den weit gehenden Ausschluss von der Veranstaltung privaten Rundfunks“. Das Mediengesetz schließe „gesellschaftlich relevante Gruppen von der Gestaltung eines die Meinungsvielfalt sichernden Rundfunkkonzeptes aus“. Das dürfe nicht sein.

Trotz Bückeburger Klatsche sagte Staatskanzlei-Chefin Gabriele Wurzel, der Staatsgerichtshof habe „die Auffassung der Landesregierung in wesentlichen Punkten bestätigt“. Das gelte insbesondere für das Ziel, „die Rundfunkfreiheit vor politischer Einflussnahme zu schützen“. Bald werde man ein neues Gesetz vorlegen. Ähnlich äußerten sich David McAllister und Philipp Rösler, die Fraktionschefs von CDU und FDP. Sigmar Gabriel sah das natürlich anders: Das Urteil sei „eine Ohrfeige für die Art und Weise, wie CDU und FDP im Landtag versuchen, Gesetze durchzupeitschen“.