Kein Streit um Inklusion

Das Gymnasium Horn wehrt sich dagegen, die Verantwortung für Kinder mit geistiger Behinderung übernehmen zu müssen, ohne über das erforderliche Personal zu verfügen

Foto: Geriet in die Schlagzeilen, weil die Schulleiterin keine Inklusionsklasse will: das Gymnasium Horn Foto: Michael Bahlo

Von Klaus Wolschner

Die Schulleiterin des Gymnasiums Horn, Christel Kelm, darf nicht sagen, worum es ihr eigentlich geht. Sie hat eine Verwaltungsrechtsklage eingereicht gegen die Schulsenatorin – das ist das letzte verzweifelte Mittel einer Schulleitung, wenn sie den Eindruck hat, dass ihre fachlichen Argumente nicht ernst genommen werden und alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Kelm will nicht, dass an ihrer Schule eine Inklusionsklasse eingerichtet wird.

Die Schulleiterin hatte dagegen „remonstriert“, sich also nach Beamtenrecht dagegen gewehrt, Anweisungen auszuführen, die sie fachlich ablehnt – aber diese „Remonstration“ ist von der Behörde zurückgewiesen worden. Danach muss sich eine Beamtin eigentlich unterwerfen – oder eben den Klageweg wählen. Verwaltungsrechtliche Klagen können sich nur formaljuristisch gegen Verwaltungsvorschriften richten, in der Klageschrift der Schule geht es also nicht um die Erläuterung der pädagogischen Streites.

Der Paragraf 20 Absatz 3 des Bremischen Schulgesetzes schreibt vor, dass das Unterrichtsangebot eines Gymnasiums „in einem achtjährigen Bildungsgang … auf das Abitur ausgerichtet“ sein soll. Dem entspricht nicht eine Zuweisung von geistig behinderten Kindern, die im Schulverwaltungsdeutsch „W&E-Kinder“ heißen, die also Förderbedarf bei Wahrnehmung und Entwicklung haben.

Inklusion auf dem Zettel, aber ohne Fachkräfte

Die Schule in Horn hatte im Vorfeld der Klage erklärt, dass sie nicht grundsätzlich gegen Inklusion ist, sondern dass vor der Einschulung behinderter Kinder geklärt werden muss, in wessen Verantwortung, mit welchem Personal und welcher räumlichen Ausstattung hier pädagogisch gearbeitet werden soll. Eine Frage, die sich auch andere Schulen stellen: „Ich weiß nicht, wie wir das machen sollen“, hatte die Schulleiterin der Albert-Einstein-Oberschule in Osterholz vor wenigen Wochen verzweifelt gesagt – auch da findet Inklusion auf den Zettel statt, aber die Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte können nicht besetzt werden.

Am Gymnasium Horn gibt es keine einzige Lehrkraft mit sozialpädagogischer Qualifikation. Die müssen da sein, bevor geistig behinderte Kinder eingeschult werden. Das hat der Elternbeirat gefordert, denn: Die Schulleitung hat ja einen Maulkorb. Die zuständige Fachreferentin bei der Schulsenatorin ist auf einer Fachbeiratssitzung gefragt worden, ob sie die Einstellung des Fachpersonals bis zum Sommer garantieren könne – ihre Antwort: nein.

Bis vor einigen Jahren besuchten durchaus Kinder mit geistiger Behinderung das Schulgebäude des Gymnasiums Horn – als Abteilung der Schule am Rhododendron-Park. Als die geschlossen wurde, wurden aber die baulichen Einrichtungen für die behinderten Kinder im Haus Gymnasium Horn beseitigt. Das brauchte die Räume für Klassen – weil die Schule erfolgreich ist. Unter der Leitung von Christel Kelm hat Horn ein attraktives pädagogisches Konzept entwickelt, das hat sich herumgesprochen. 180 Anmeldungen in der „Erstwahl“ gibt es für das kommende Schuljahr. Das würde sechs Klassen füllen.

Die Schulbehörde will der Schule eine Klasse davon ganz wegnehmen und eine reduzieren für die geplante „Inklusions“-Klasse. Das Wort „Inklusion“ gibt dabei aber nicht wieder, worum es geht. Das Gymnasium Vegesack hat solche Klassen mit Integration geistig behinderter Kinder. Dort geht es darum, dass sie im Sozialverband Schule betreut werden – aber sie nehmen nicht am gymnasialen Unterricht teil, sondern werden in sonderpädagogischen Nebenräumen betreut, wenn die Gymnasial-Schüler unterrichtet werden. Nur bei Schulfeiern sind alle zusammen, wenn gesungen oder gebastelt wird, sonst nicht.

Kooperation gern, aber nur mit qualifiziertem Personal

„Kooperation“ nennt das Kelm. Und sie will gern in ihrem Haus mit Einrichtungen kooperieren, die geistig behinderte Kinder fachlich betreuen. Aber sie will nicht die pädagogische Verantwortung für etwas übernehmen, für das weder sie selbst noch anderes Personal an der Schule qualifiziert ist. Sicherlich würde sie das sehr gut erklären können, wenn sie keinen Maulkorb von der Schulsenatorin verpasst bekommen hätte.