aufreger
: Da brennt die Hütte: Streit zwischen
Sámi und dem schwedischen Staat

Im nordschwedischen Inland liegt noch meterhoch Schnee. Der Gerichtsvollzieher und die vier Polizeibeamten, die ihn begleiteten, mussten vergangenen Mittwoch Schneescooter nehmen, um zum Stenträsket zu gelangen – einem See rund 60 Kilometer nordwestlich von Storuman. Aber sie hatten einen wichtigen Auftrag. Nahe dem Seeufer lag eine Kote.

Eine Kote ist eine traditionelle Behausung der skandinavischen Sámi. Ein Gerüst aus zeltförmig aufgestellten Stangen, darüber in der mobilen Version Deckungsmaterial gespannt. Die Kote am Stenträsket war bedeckt mit Gras- und Torfsoden. Vorfahren der Sámi-Familie von Anita Gimvall hatten in den 1890er Jahren die Kote errichtet, um darin Fischereigerät aufzubewahren. Mehrmals wurde die Kote renoviert, um sie vor dem Verfall zu bewahren.

Seit Mittwoch gibt es die Kote nicht mehr. Der Gerichtsvollzieher hatte Kanister mit Brennspiritus dabei und fackelte die Kote ab. Ganz einfach war das nicht. Er und die Polizeibeamten mussten erst eine Stunde lang die Kote aus dem Schnee herausschaufeln, und es dauerte, bis das Feuer richtig brannte. Aber Schwedens Sicherheit und Ordnung erforderte nun einmal, dass die Kote entfernt wurde.

Denn sie war ein illegaler Schwarzbau, meinte die Naturschutzbehörde. Sie hatte einen Hinweis erhalten und schenkte den Beteuerungen von Anita Gimvall, dass am See seit mehr als 120 Jahren eine Kote stand, keinen Glauben. Denn wo waren die Beweise? Bauunterlagen etwa? Eine absurde Argumentation, der aber auch Gerichte folgten. Als sich die 68-Jährige trotz Bußgeldandrohung von umgerechnet 5.000 Euro weigerte, die Kote abzureißen, wurde „Ersatzvornahme“ durch den Gerichtsvollzieher angeordnet.

„Kåtabränningen“, die brennende Kote, ist zu einem Symbol für das angespannte Verhältnis zwischen dem schwedischen Staat und den Sámi geworden. Parlamentarier des Sámi-Parlaments sprechen von „Skandal“ und „Schande“. Das Abbrennen müsse „in einen historischen Zusammenhang gesetzt werden“, sagt auch Kultur- und Sámi-Ministerin Alice Bah Kuhnke, „den von Jahrhunderten staatlich sanktionierter Diskriminierung der Sámi“.

Bislang weigert sich Stockholm, die internationale Urbevölkerungskonvention zu ratifizieren und so die Rechte der Sámi formell anzuerkennen. Die niedergebrannte Kote könne „die Lunte für ein Pulverfass sein“, warnt die Tageszeitung Allehanda, und dazu führen, dass Machtmissbrauch, humanitäre Skandale und die schrankenlose Ausbeutung der ­nordschwedischen Reichtümer bald nicht mehr hingenommen würden.

Reinhard Wolff, Stockholm